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Bedeutung und Gebrauch der Tempora

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Jede Form ist mehrdeutig. Sie besitzt außer der rein zeitlichen Bedeutung zusätzliche Bedeutungen (Nebenbedeutungen), die ihre Eigenart prägen. Die größte Zahl von Bedeutungen weist das Präsens aus. Die Anzahl dieser Bedeutungsvarianten ist verschieden: bei W. Jung - 8, bei W. Admoni- 6, bei E. Schendels – 7.Das hängt davon ab, auf welchen Kriterien die Ausgliederung beruht. G. Helbig und J. Buscha gliedern 4 Bedeutungen des Präsens. Hier sind 5 Bedeutungen genannt:

1. Aktuelles Präsens

Das aktuelle Präsens drückt gegenwärtige Sachverhalte aus:

Er sucht (gerade, in diesem Augenblick, jetzt) eine Wohnung.

2. Futurisches Präsens zur Bezeichnung eines zukünftigen Geschehens:

In diesem Monat haben die Kinder Ferien.

3. Historisches Präsens zur Bezeichnung eines vergangenen Geschehens:

Diese Variante kommt in den Erzählungen, in den Beschreibungen der historischen Tatsachen, in der Dichtersprache vor, um das Vergangene lebendig zu gestalten, zu „vergegenwärtigen". In diesem Fall ist das Präsens ein stilistisches Mittel:

1939 beginnt der Zweite Weltkrieg.

Neulich treffe ich einen alten Schulkameraden.

4. Generelles oder atemporales Präsens

Dieses Präsens drückt in dieser Bedeutungsvariante allgemein gültige Sachverhalte aus und ist an keine objektive Zeit gebunden:

Die Erde bewegt sich um die Sonne.

Silber ist ein Edelmetall.

5. Imperativisches Präsens ist ein Synonym des Imperativs. Dazu verhilft die imperativische Intonation:

Du machst sofort deine Hausaufgaben!

Ihr geht ins Dekanat!

Es sei betont, dass eine Präsensform je nach dem Kontext verschiedene Deutungen haben kann:

Die Mutter führt das Kind in die Schule – die Hauptbedeutung des Präsens, unmittelbare Gegenwart.

Dieser Weg führt nach K. – das qualitative Präsens.

Der Junge liegt am Ufer – unmittelbare Gegenwart.

Die Stadt liegt am Donauufer – das qualitative Präsens.

Präteritum

Laut G. Helbig und J. Buscha (1988: 148) hat das Präteritum nur eine einzige Bedeutungsvariante - die Bezeichnung der vergangenen Sachverhalte.

Es wird sowohl in der Umgangssprache, als auch in der Dichtersprache gebraucht, es kann sogar als das spezifische Tempus der Erzählung bezeichnet werden. Das Präteritum kann bei sich eine fakultative Temporalangabe (gestern, im vorigen Jahr, neulich u. a.) haben, die an der Vergangenheitsbedeutung nichts ändert:

Er arbeitete (gestern) den ganzen Tag.

Er kam (vor drei Tagen) aus Ausland.

Beim Präteritum können die Adverbialbestimmungen der Gegenwart oder sogar der Zukunft stehen, die aber auf die Vergangenheit gerichtet sind:

Schiller wurde 1759 in Marbach geboren.

Heute sollte es sich entscheiden.

Bald darauf kam mein Bruder.

Das Präteritum kann in einigen erstarrten Formeln („Raffsätzen") statt des Präsens gebraucht werden, wenn gegenwärtige Sachverhalte gemeint sind, und der Sprecher sich an einer vorher bestehenden Situation orientiert. In diesen Fällen ist das Präteritum durch das Präsens ersetzbar:

Wie war doch ihr Name? (Wie ist ihr Name?)

Wer war hier noch ohne Fahrschein? (Wer ist hier noch ohne Fahrschein?)

Herr Ober, ich bekam noch Kompott. (Ich bekomme noch Kompott.)

Das Präteritum ist oft dem Perfekt identisch, sie sind darum austauschbar:

Er arbeitete den ganzen Tag.

Er hat den ganzen Tag gearbeitet.

Doch sind zwischen beiden Tempora Gebrauchsunterschiede auf folgenden Ebenen festzustellen:

1. Aus phonetischen Gründen wird das Perfekt bevorzugt, wenn die Präteritalformen kompiziert zum Aussprechen sind:

du hast geschossen (statt: du schossest)

du hast gebadet (statt: du badetest)

ihr habt gebadet (statt: ihr badetet)

2. Aus Gründen der Verträglichkeit der lexikalischen Bedeutung der Verben mit der Tempusbedeutung wird bei einigen Verben häufiger in übertragener Bedeutung (gehen, stehen, schwimmen, spielen u. a.) auch bei stammen (entstammen), pflegen, angehen, gereichen, münden, sprießen, verlauten ausschließlich das Präteritum gebraucht:

Die Fenster gingen in den Garten. Das ging nichts an. Dieses ungelungene Beispiel ging natürlich nicht.

Es stand zu hoffen. Der Wind stand nach Norden.

Der Schauspieler „schwamm“.

Der Diamant spielte in allen Farben.

Der Redner schwieg eine Weile, dann fuhr er fort.

Er stammte aus Berlin.

Früher pflegte er täglich zu turnen.

Der Fluss mündete früher an einer anderen Stelle ins Meer.

3. Es wird aus semantischen Gründen das Perfekt bevorzugt, wenn im Satz solche Temporalangeben wie: schon, schon oft, schon immer, noch nie stehen:

Er hat das Buch schon gelesen. (statt: Er las schon das Buch.)

Das Kind hat schon oft die Flugzeuge gesehen. (statt: Das Kind sah schon oft die Flugzeuge.)

4. Nur das Perfekt oder Plusquamperfekt (nicht das Präteritum) wird in einigen phraseologischen Wendungen sowie in übertragener Bedeutung gebraucht:

etwas ausgefressen haben (umg.) = etwas angestellt haben: Was hat der Junge wieder ausgefressen?

ausgekämpft haben = gestorben sein: Der Großvater hat ausgekämpft.

einen Narren an jemandem gefressen haben (umg.) = jemanden sehr gern haben: Die Oma hat an dem Jungen einen Narren gefressen.

5. Aus morphosyntaktischen Gründen werden die Hilfsverben sein, haben und auch Modalverben vorzugsweise im Präteritum gebraucht:

Peter wollte / sollte / musste gestern abfahren. (statt: Peter hat gestern abfahren wollen / sollen / müssen.)

6. Das Präteritum wird vorwiegend als Erzähltempus in der schöngeistigen Literatur gebraucht, während das Perfekt in Gesprächen, Erörterungen verwendet wird.


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