ÀâòîÀâòîìàòèçàöèÿÀðõèòåêòóðàÀñòðîíîìèÿÀóäèòÁèîëîãèÿÁóõãàëòåðèÿÂîåííîå äåëîÃåíåòèêàÃåîãðàôèÿÃåîëîãèÿÃîñóäàðñòâîÄîìÄðóãîåÆóðíàëèñòèêà è ÑÌÈÈçîáðåòàòåëüñòâîÈíîñòðàííûå ÿçûêèÈíôîðìàòèêàÈñêóññòâîÈñòîðèÿÊîìïüþòåðûÊóëèíàðèÿÊóëüòóðàËåêñèêîëîãèÿËèòåðàòóðàËîãèêàÌàðêåòèíãÌàòåìàòèêàÌàøèíîñòðîåíèåÌåäèöèíàÌåíåäæìåíòÌåòàëëû è ÑâàðêàÌåõàíèêàÌóçûêàÍàñåëåíèåÎáðàçîâàíèåÎõðàíà áåçîïàñíîñòè æèçíèÎõðàíà ÒðóäàÏåäàãîãèêàÏîëèòèêàÏðàâîÏðèáîðîñòðîåíèåÏðîãðàììèðîâàíèåÏðîèçâîäñòâîÏðîìûøëåííîñòüÏñèõîëîãèÿÐàäèîÐåãèëèÿÑâÿçüÑîöèîëîãèÿÑïîðòÑòàíäàðòèçàöèÿÑòðîèòåëüñòâîÒåõíîëîãèèÒîðãîâëÿÒóðèçìÔèçèêàÔèçèîëîãèÿÔèëîñîôèÿÔèíàíñûÕèìèÿÕîçÿéñòâîÖåííîîáðàçîâàíèå×åð÷åíèåÝêîëîãèÿÝêîíîìåòðèêàÝêîíîìèêàÝëåêòðîíèêàÞðèñïóíäåíêöèÿ

Ableitung

×èòàéòå òàêæå:
  1. Ableitung in der deutschen Sprache

Die zweite Art der Wortbildung ist die A b l e i t u n g, mit deren Hilfe der Wortbestand der deutschen Sprache bereichert wird. Unter der Ableitung versteht man die Bildung neuer Wörter mit Hilfe von Affixen (d. h. von Präfixen und Suffixen). In allen indoeuropäischen Sprachen ist die Ableitung sehr verbreitet.

Auch in anderen Sprachen spielt die Ableitung eine große Rolle, so z. B. in der französischen: grand, grandeur; revolution, revolution-naire, revolutionner; in der englischen: cognition, cognizable, cogni-zance; select, selection.

Die deutsche Sprache weist auch ein entwickeltes System der Ablei­tung auf, d. h. der Wortbildung mit Hilfe von Affixen. Unter Affixen versteht man wortbildende Morpheme, mit deren Hilfe neue Wörter gebildet werden. Man unterscheidet zwei Arten der Affixe: Suffixe und Präfixe.

Das Suffix ist ein wortbildendes Morphem, das am Ende des Wortes zu der Wurzel oder zum Stamm hinzugefügt Wird — Freund, freundlich, Freundlichkeit.

Das Präfix ist ein wortbildendes Morphem, das am Anfang des Wortes zur Wurzel oder zum Stamm hinzugefügt wird — kennen, erkennen, anerkennen.

Auf diese Weise entstehen mit Hilfe der Affixe neue Wörter mit neuen Bedeutungen. Vgl. kennen, aber erkennen, anerkennen, Erkenntnis, Anerkennung usw. Alle angeführten Beispiele stellen verschiedene Wörter mit verschiedenen Bedeutungen dar. Die Klassifikation der Affixe kann nach verschiedenen Prinzipien durchgeführt werden: nach dem genetischen, morphologischen, semantischen und historischen Prinzip.


Áèëåò 24. Was hat die Eigenartigkeit der Entwicklung der Zusammen­setzung in der deutschen Sprache bedingt?

1) Den Hauptgrund der Entwicklung von Zusammensetzungen bildet die Besonderheit des syntaktischen Baus des deutschen Satzes in den früheren Epochen der Sprachentwicklung: für den deutschen Satz war die Voranstellung des Genitivattributs typisch.

Diese syntaktische Konstruktion ermöglichte die Verbindung zu einer neuen lexikalischen Einheit des bestimmenden Wortes mit dem von ihm bestimmten. Das beweisen solche Zusammensetzungen der modernen deutschen Sprache wie Königssohn, Blumenkranz u. a.

2) In derselben Richtung hat sich auch eine andere deutsche syn­
taktische Konstruktion entwickelt, nämlich — Adjektiv + Substantiv.

Die kurze unflektierte Form des Adjektivs konnte in der attribu­tiven Funktion dem Substantiv vorangehen, was wiederum die Ent­stehung eines neuen Wortes zur Folge hatte. So treffen wir in der mittelhochdeutschen Periode:

Aus der syntaktischen Konstruktion edel man hat sich das zusam­mengesetzte Wort der Eddmann entwickelt. Nach Analogie entstehen später verschiedene andere Zusammensetzungen: Rotwein, Schwarz­brot, Neubauer u. a.

Alle diese Zusammensetzungen unterscheiden sich von den syntak­tischen Wortverbindungen, die ihnen zugrunde liegen. Die Kompo­nenten verlieren ihre lexikalische Selbständigkeit, und der ganze Komplex bekommt eine einheitliche Bedeutung. Das erste, bestim­mende Element bezeichnet dann eine beständige Eigenschaft, die dem ganzen Wort eine neue Bedeutung verleiht. Schwarzbrot ist nicht Brot von schwarzer Farbe, sondern 'eine Brotsorte'; es ist also ein neues Wort, das einen neuen, besonderen Begriff ausdrückt. Das Substantiv Mutterherz ist nicht unbedingt das Herz einer Mutter, sondern bezeichnet auch 'mütterliche Gefühle' im allgemeinen und kann sich auf jeden beliebigen Menschen beziehen.

3) Im Vergleich mit der russischen Sprache sind in der deutschen
verhältnismäßig wenig wortbildende Suffixe vorhanden, mit deren
Hilfe man Adjektive bilden kann.

In der russischen Sprache existieren folgende Suffixe der Adjektive:

-îâ (-åâ), èí (-ûí), -íèí, -íèê, -îâí, -èâí, -èõ (-àÿ, -åå), -îâ, -åâ,

-àâ, -ëÿâ, -àò, -÷àò, -îâàò, -àñò, -èò, -îâñò, -èñò, -èâ, -ëèâ, -÷èâ, -ê,

-ñê, -àíñê, -åíñê, -èéñê, -èêñê, -èòñê, -îâñê, -è÷åñê, -åéí, -åëüí, -åêí, -åñí, -è÷í, -ëüí, -îâí, -òåëüí, -ë, -ó÷, -óù, -ò .

Was die deutsche Sprache anbetrifft, so hat sie nur eine kleine Anzahl adjektivischer Suffixe: -ig, -lieh, -isch, -bar, -sam, -haft, -en.

4) Der Mangel an Adjektiven und vor allem an relativen Adjektiven
hat auch die Entwicklung der Zusammensetzung der deutschen Sprache
befördert. Im Deutschen fehlen Äquivalente für solche russische
Adjektive wie ìîðñêîé, ïîëåâîé,.

Dementsprechend gibt es in der deutschen Sprache solche Sub­stantive wie Seeluft, Feldblume, Waldblume, die der» russischen syntaktischen Gruppen ìîðñêîé âîçäóõ, ïîëåâîé öâåòîê, ëåñíîé öâåòîê entsprechen.

Die letzten zwei Ursachen (der Mangel an adjektivischen Suffixen und an relativen Adjektiven) sind aufs engste miteinander verbunden. Der Mangel an adjektivischen Suffixen in der deutschen Sprache bedingt auch den Mangel an relativen Adjektiven, was seinerseits die Notwendigkeit hervorruft, Zusammensetzungen zu bilden.

5) Endlich ist auch das Gesetz der Analogie von großer Bedeu­
tung für die Entwicklung der Zusammensetzung in der deutschen
Sprache. Nach den schon existierenden wortbildenden Modellen werden
immer neue zusammengesetzte Wörter gebildet, sogar in Fällen, in
denen auch Möglichkeiten zur Bildung syntaktischer Gruppen
vorhanden sind. So bestehen parallel solche Wortgruppen wie die
gestrickte Mütze
einerseits und solche Zusammensetzungen wie die
Strickmütze
andererseits: die goldene Uhr und die Golduhr usw.
Hier wirkt das Gesetz der Analogie.


 

Áèëåò 26. Es gibt verschiedene Prinzipien, nach denen die zusammen­gesetzten Wörter klassifiziert werden. Vorerst kann man sie vom morpho­logischen Standpunkte aus (d. h. nach den Wortarten) klassifizieren.

Die zusammengesetzten Wörter können einer beliebigen Wortart angehören. Die Zugehörigkeit der Zusammensetzung zu einer bestimm­ten Wortart hängt in der Regel vom zweiten Element ab, das die grammatische Charakteristik des ganzen Kompositums darstellt. Als erstes Element kann eine beliebige Wortart auftreten.

Das zusammengesetzte Substantiv kann z. B. folgende morpho­logische Struktur haben:

Substantiv + Substantiv — Silbermünze, Hofhund;

Adjektiv + Substantiv — Schwarzbrot, Graukopf;

Verbalstamm + Substantiv — Schreibtisch, Bindelaut;

Zahlwort + Substantiv —Dreieck, Zweikampf;

Pronomen + Substantiv — Ichform, Selbstgespräch;

Adverb + Substantiv — Zusammenkunft, Voraussage;

Präposition + Substantiv — Fürwort, Umwelt.

Das zusammengesetzte Adjektiv besteht aus:

Adjektiv + Adjektiv — dunkelrot, hellblau;

Substantiv + Adjektiv — blutrot, stockdunkel;

Verbalstamm + Adjektiv — siedeheiß, merkwürdig;

Zahlwort + Adjektiv —zweigliedrig, dreieckig;

Pronomen + Adjektiv — diesbezüglich, selbstsüchtig;

Präposition + Adjektiv — unterirdisch, überglücklich.

Das zusammengesetzte Verb besteht aus:

Verb + Verb — stehenbleiben, kennenlernen;

Substantiv + Verb — teilnehmen, stattfinden;

Adjektiv + Verb — freisprechen, stillstehen;

Zahlwort + Verb — vierteilen;

Adverb + Verb —: weitergehen, fortfahren.

Zusammengesetzte Zahlwörter, Adverbien, Präpositionen u. a. können auch aus verschiedenen Wortarten bestehen, z. B. zweihundert, auseinander, vorbei, hinauf, gegenüber usw.


 

Áèëåò 27. Es gibt noch eine Klassifikation der zusammengesetzten Wörter unabhängig von der Angehörigkeit des entsprechenden Wortes zu einer bestimmten Wortart; das ist die semantisch-syntaktische Klas­sifikation. Diese Klassifikation, verschiedenartig variiert, wird sowohl von manchen deutschen wie auch von einigen sowjetischen Linguisten vorgenommen. Wollen wir diese traditionelle Klassifikation analysieren, wobei wir ihr einige Veränderungen und Ergänzungen beibringen. Vom semantisch-syntaktischen Standpunkt aus unter­scheiden wir vier Arten von Zusammensetzungen:

a) Attributive Zusammensetzungen (Bestim­
mungszusammensetzungen). Diese Art der Zusammensetzung ist
durch die attributive Verbindung der Komponenten charakterisiert —
nämlich die erste Komponente bestimmt die zweite. Attributive
Zusammensetzungen können sowohl Substantive als auch Adjektive
sein: Schwarzbrot, Tischlampe, Tageslicht, Sonnenstrahl, dunkelrot u. a.
Als eine besondere Abart gehören hierher auch Bahuvrihi wie
Graukopf, Rotkäppchen u. a.

b) Kopulative Zusammensetzungen, bei denen

zwischen den Komponenten syntaktische Gleichberechtigung herrscht. Auf Grund dieser syntaktisch gleichberechtigten beiordnenden Verbin­dung entwickelt sich ein einheitlicher Komplex, wie Strichpunkt, taubstumm, dreizehn, zweiundzwanzig u. a.

c) Zusammenrückungen. Das ist eine lockere Verbin­
dung zweier und mehrerer Elemente, manchmal sogar eines ganzen
Satzes, dessen Teile im Prozesse des Redens leicht zusammenrücken.
Die Komponenten der Zusammenrückung behalten ihre lexikalische
Selbständigkeit und sind leicht zu begreifen, obwohl der ganze Komplex
manchmal umgedeutet wird: Vergißmeinnicht, Einmaleins, derart;
infolge, stehenbleiben
usw.

Die Zusammenrückungen können verschiedenen Wortarten ange­hören.

d) Zusammenbildungen. Sie entstehen als Resultat
zweier Prozesse: der Zusammensetzung und der Ableitung, denn
jede Zusammenbildung wird durch ein Suffix zu einem Wort verbunden,
z. B. Frühaufsteher, Inbetriebsetzung, blauäugig.

Als Zusammenbildungen treten Substantive und Adjektive auf.


 

Áèëåò 31.

Attributive Zusammensetzungen. Diese Zusammensetzungen be­stehen aus zwei Komponenten, wo die erste die zweite bestimmt, konkretisiert und darum das Bestimmungswort genannt wird; den zweiten Bestandteil nennt man das Grundwort. Das Grundwort bezeichnet die grammatische Qualität der Zusammen­setzung, nämlich die Angehörigkeit zur bestimmten Wortart: die Wandzeitung, hellblau; das grammatische Geschlecht und die Zahl: der Arbeitsplan, die Planarbeit, die Sommerferien u. a. Die Haupt­betonung fällt auf das Bestimmungswort, die Nebenbetonung aber auf das Grundwort; das hängt mit dem Wesen der germanischen Betonung zusammen, wo die Hauptbetonung in der Regel auf dieerste Wortsilbe fällt. Wenn wir das zusammengesetzte Wort als eine Einheit betrachten, so vertritt das erste Element die Rolle der ersten Silbe des Stammes: 'Wortbefonung, 'Bindehaut, 'starkbetont usw. In einzelnen Fällen steht die Hauptbetonung auf dem zweiten Teil:, Jahr'hundert, Jahr'zehnt,,Jahr'fünft, tLeib'eigene r, da das zweite Element hier das erste bestimmt.

Die attributive Zusammensetzung kann auch aus drei, vier und mehreren Wörtern bestehen; aber man betrachtet jedes zusammenge­setzte Wort dieser Art als ein zweigliedriges, wobei jedes Glied seiner­seits in zwei Teile zerlegt werden kann, z. B. die Transportschiffe-verwertungsgesellschaft (B. B rech t). Gesellschaft ist das Grundwort, Transportschiffeverwertung ist das Bestimmungswort, das seinerseits auch eine attributive Zusammensetzung ist, wo Verwertung schon als Grundwort und Transportschiffe als Bestimmungswort auftreten; die letzte Komponente ist eigentlich auch ein zusammengesetztes Wort mit Transport als Bestimmungswort und Schiffe als Grundwort. Die ganze Zusammensetzung aber ist ein neues Wort, welches einen neuen Begriff ausdrückt. Solche mehrgliedrige attributive Zusam­mensetzungen sind in der deutschen Sprache sehr verbreitet

Betrachten wir die Zusammensetzung, deren Teile zwei unflek­tierte Stämme sind. Als Strukturmodell wird dieser Typus auf solche Wörter wie ahd. gasthüs, boumgarto zurückgeführt. Die syntaktische Rolle der Komponenten solcher Wörter wird nur durch die Wortstel­lung bestimmt. Solch ein Typus der Zusammensetzung wird seiner Ent­stehung nach (vom strukturell-genetischen Standpunkt aus) in der lin­guistischen Literatur eigentliche (oder echte) Zusammen­setzung genannt. Dieser Typus ist auch jetzt noch produktiv, und nach der Analogie mit diesem Modell werden neue Wörter gebildet, die neue Begriffe ausdrücken: Henneckearbeiter, Fünf jahrplan, Fernstudent, Parteischule, Neubauer, Bodenreform, Wanderfahne.

Die Entwicklung der Flexion bewirkt auch die Entstehung des zweiten Typus der attributiven Zusammensetzung, in dem der erste Teil eine flektierte Form hat: 'Tageslicht, Sonnenschein, lebensgroß, sorgenkrank. Die attributive Funktion wird im ersten Element nicht nur durch die Wortstellung, sondern auch durch die Genitivendung ausgedrückt. Dieser Typus kann auf folgende Wortgruppen des Althoch­deutschen zurückgeführt werden: des geres snide, des Etzelen wip.

Die Zusammensetzungen dieser Art werden u n eigentliche (oder unechte) Zusammensetzungen genannt. Im modernen Deutsch haben die Flexionen s, n ihre Funktion eingebüßt und sind zu einem Formelement (Bindelaut) geworden. Davon zeugt die Tat­sache, daß s auch nach Substantiven weiblichen Geschlechts steht: Arbeitsplan, Bestimmungswort, obwohl s als Flexion der Feminina nie auftritt.

Als Bindelaute können jetzt s und (e)n auftreten: Freiheitskämpfer, Sonnenstrahl..

Kopulative Zusammensetztingen bestehen aus zwei gramma­tisch gleichwertigen Elementen, die auf Grund der Beiordnung in Verbindung treten. Jedes Element behält seine selbständige Bedeu­tung, aber die Bedeutung des Ganzen drückt einen neuen Begriff aus. Die Verbindung zwischen diesen Elementen ist so lose, so deutlich kopulativ, daß man dabei die beiordnende Konjunktion und vermuten könnte, z. B. taubstumm, eigentlich taub und stumm; der Strichpunktder Strich und der Punkt; deutsch-russisch, sauersüß, süßsauer, drei­zehn usw.

Manchmal werden die Teile der kopulativen Zusammensetzung tatsächlich durch und verbunden: zweiundzwanzig, dreiunddreißig usw. Diese Art der Zusammensetzung ist weniger verbreitet als die attributive.


 

Áèëåò 30. Kopulative Zusammensetztingen bestehen aus zwei gramma­tisch gleichwertigen Elementen, die auf Grund der Beiordnung in Verbindung treten. Jedes Element behält seine selbständige Bedeu­tung, aber die Bedeutung des Ganzen drückt einen neuen Begriff aus. Die Verbindung zwischen diesen Elementen ist so lose, so deutlich kopulativ, daß man dabei die beiordnende Konjunktion und vermuten könnte, z. B. taubstumm, eigentlich taub und stumm; der Strichpunktder Strich und der Punkt; deutsch-russisch, sauersüß, süßsauer, drei­zehn usw.

Manchmal werden die Teile der kopulativen Zusammensetzung tatsächlich durch und verbunden: zweiundzwanzig, dreiunddreißig usw. Diese Art der Zusammensetzung ist weniger verbreitet als die attributive.


 

Áèëåò 28. Eine Abart der attributiven Zusammensetzungen bilden die sogenannten Bahuvrihi, wo das erste Element das zweite bestimmt. Sie sind nach demselben Prinzip zusammengesetzt und unterscheiden sich von anderen attributiven Zusammensetzungen nur dadurch, daß sie die charakteristische Eigenschaft oder die Beschaffenheit eines Lebewesens ausdrücken. Sie treten als Benennung des ganzen Lebewesens auf, das sie bezeichnen. Also der Unterschied hat einen rein semantischen Charakter. Rotkäppchen bedeutet buchstäblich das rote Käppchen, bezeichnet.aber das Mädchen, das dieses Käppchen trägt. (Vergleichen wir das Wort Rotkäppchen mit der ganz ähnlich gebildeten Zusammensetzung Rotwein, das kein Bahuvrihi ist, da es kein Lebewesen nach einem charakteristischen Merkmal bezeichnet.)

Es ist offensichtlich, daß Bahuvrihi eine Art der Metonymie sind, und zwar der metonymischen Übertragung vom Teil auf das Ganze, von dem charakteristischen Merkmal des Lebewesens auf das Lebe­wesen selbst, z. B. Blaustrumpf, Dummkopf.

Unter dem Bahuvrihi Dummkopf versteht man einen dummen Menschen, unter Schreihals denjenigen, der schreit.

Diese Abart der Zusammensetzung finden wir auch in anderen indoeuropäischen Sprachen: im Griechischen, Russischen u. a., auch in germanischen Sprachen, z. B. im Gotischen. In der griechischen Mythologie sind Bahuvrihi sehr verbreitet In der russischen Sprache sind das solche Wörter wie íîñîðîã, åäèíîðîã, êðàñíîãðóäêà oder Familiennamen (ursprüngliche Spitz­namen) Êðèâîíîñ, Áåëîóñ, die auch ein Lebewesen nach einem bestimmten Merkmal bezeichnen. '

In der russischen Sprache können Bahuvrihi nicht nur durch Zusammensetzungen geformt werden (êðàñíîãðóäêà), sondern öfter auch durch feste Wortverbindungen (ñèíèé ÷óëîê, u. a.). Das ist eine Besonderheit der russischen Sprache.

Im modernen Deutsch entwickelt sich daraus barfuß als Adjektiv und Adverb. Jetzt gibt es viele Zusammensetzungen dieser Art. Da das Grundwort der Bahuvrihi ein Substantiv ist, sind sie der Form nach Substantive; ihrer syntaktischen Funktion nach nähern sie sich aber Adjektiven, denn sie bezeichnen eine Eigenschaft oder eine Beschaffenheit des Gegenstandes.

.


Áèëåò 29. Zusammenrückungen bilden eine besondere Art der Zusam­mensetzung, eine lockere Verbindung mehrerer Wörter oder sogar eines kleinen Satzes zu einer Einheit, wobei die Komponenten keine Veränderungen erleiden.

Die Zusammenrückung das Tischchen-deck-dich ist aus selbständigen Wörtern entstanden — aus dem Substantiv Tischchen und dem Verb sich decken in der zweiten Person des Imperativs, die zusammenge­rückt sind und ein neues Wort mit einer neuen Bedeutung gebildet haben.

Die Zusammenrückungen entwickeln sich auch aus freien Wortver­bindungen, z. B. die Adverbien derart, tagsüber, derzeit u. a.

Interessant ist die Entstehung der Zusammenrückung Dasein aus der Wortverbindung da sein.

Manchmal entstehen Zusammenrückungen auch auf Grund eines ganzen Satzes. Am häufigsten sind es Imperativnamen: das Lebewohl aus Lebe wohl!; das Rührmichnichtan aus Rühr mich nicht an!

Es kommt vor, daß die Zusammenrückung sogar eine Anrede ent­hält: Gottverdammich entstand auf Grund von Gott, verdamm mich!

Die Zusammenrückungen können verschiedenen Wortarten ange­hören: es gibt Substantive — Gottseibeiuns, Inzuchthauskommen; Adjektive — allerhöchst; Adverbien —beiseite, heutzutage, mutter­seelenallein, ebensowenig; Verben — stehenbleiben, zustandebringen.

Für die Bildung der substantivischen Zusammenrückungen ist der Prozeß der Substantivierung sehr typisch. Eine Reihe von Zusam-rnenrückungen ist aus dem Zusammenrücken einzelner Elemente mit der nachfolgenden Substantivierung des ganzen Komplexes

gebildet, z. B. Springinsfeld, Einmaleins, Vergißmeinnicht, Gottsei­beiuns u. a.

Oft werden die Zusammenrückungen umgedeutet, infolgedessen bekommen sie eine ganz neue Bedeutung, z. B. Springinsfeld — aus der Wortgruppe Spring ins Feld! — bezeichnet jetzt einen leicht­sinnigen Menschen. Das Immergrün ist die Benennung einer Blume.

Man kann die Zusammenrückungen in vollständige und unvollständige teilen. Unter den vollständigen verstehen wir solche, deren Komponenten endgültig zu einer Einheit ver­schmolzen sind. Ihre semantische Einheitlichkeit bedingt die Einheit der Form. So ist z. B. das Vergißmeinnicht völlig lexikalisiert, drückt einen einheitlichen Begriff aus, bezeichnet eine Blume und wird wie ein gewöhnliches Substantiv betrachtet.

Die unvollständigen Zusammenrückungen sind solche, in denen die völlige Verschmelzung der Komponenten noch nicht stattgefunden hat, was auch ihre graphische Gestaltung widerspiegelt: Allein­zurück-Bleiben, Einander-Verstehen, In-sich-Geschtossenheit, Zur-Ruhe-gehen u. a.

Eine besondere Art der zusammengesetzten Wörter bilden solche, die infolge zweier Prozesse entstehen: der Zusammensetzung und der Ableitung; das sind die sogenannten ZusammenbildungenNichtstuer, Schuhmacher, dreistufig.

Zusammenbildungen entstehen auf Grund von Wortverbindungen, die durch Suffixe zu Einzelwörtern gestaltet werden. Das Suffix (manchmal auch die innere Flexion — der Umlaut) hilft, ein neues Wort mit einer einheitlichen Bedeutung zu schaffen.

Das Substantiv der Schuhmacher entwickelte sich aus der Wort­gruppe Schuhe machen mit dem Suffix -er, welches die ganze Gruppe zu einem Wort verbindet. Diese Zusammenbildung kann nicht wie attributive Zusammensetzungen i n zwei Komponenten zerlegt werden, weil die zweite Komponente (-macher) als selbständiges Wort in der Regel nicht existiert. Dasselbe sehen wir in der Zusammensetzung der Frühaufsteher, die einen Menschen bezeichnet, der die Gewohnheit hat, früh aufzustehen.

Die Zusammenbildung unterscheidet sich von anderen Arten der Zusammensetzung nicht nur durch das Vorhandensein des Suffixes,

sondern auch durch die morphologische Gestaltung der Komponenten, die letzteren verlieren gewöhnlich Kasusendungen, Suffixe des Infini­tivs oder des Plurals (zusammengebildet werden eigentlich reine Stämme oder Wurzeln). Aus der Wortgruppe nichts tun entsteht die Zusammenbildung der Nichtstuer, wo das Infinitivsuffix -en durch das Suffix -er ersetzt ist.

Die grammatische Kategorie und das Geschlecht werden nach dem Suffix bestimmt. So sind die Zusammenbildungen Danksagung, Teilnahme Substantive weiblichen Geschlechts, Kopfhänger, Teilneh­mer —Substantive männlichen Geschlechts, blauäugig ist ein Adjektiv. Für die Zusammenbildungen sind folgende Suffixe typisch: -er, -ung, -e, -igkeit, -ig, -lich, -erisch.

Die produktivsten Suffixe der Zusarnmenbi l düngen der Substan­tive sind -er,-ung: der Nichtstuer aus nichts tun, die Danksagung aus Dank sagen, die Rechtschreibung aus recht schreiben u.a.

Das Suffix -e ist veraltet und eigentlich schon nicht mehr pro­duktiv: die Inanspruchnahme aus in Anspruch nehmen, die Inhaft-nahme aus in Haft nehmen.

Das produktivste Suffix der adjektivischen Zusammenbildungen ist das Suffix -ig: blondhaarig, schwerhörig, breitschultrig, kniefällig, zweifenstrig u. v. a.

Wenig produktiv sind die Suffixe -erisch, -lich: rechthaberisch, halsbrecherisch, kopfbrecherisch, wahrscheinlich, handgreiflich.

Die Zusammenbildungen gehören also entweder der Wortart der Substantive oder der Adjektive an.

In der russischen Sprache gibt es auch Zusammensetzungen, die nach dem Prinzip der Zusammenbildungen entstanden sind, z. B. âåðòèõâîñòêà aus der Wortverbindung âåðòåòü õâîñòîì mit dem Suffix -êà, ïèñüìîíîñåö aus íîñèòü ïèñüìà, ñèíåãëàçûé aus ñèíèå ãëàçà u. v. a.

Die Zusammenbildungen und Zusammenrückungen sind in der modernen deutschen Sprache sehr verbreitet.


a) Affixe, die aus selbständigen Wörtern entstanden sind;

b) Affixe, die sich infolge der Neuverteilung der Stämme (ïåðå­
ðàñïðåäåëåíèå îñíîâ) entwickelt haben;

c) Affixe, die aus Fremdsprachen entlehnt sind.

Eine besonders große Bedeutung haben Affixe, die ihrer Herkunft nach auf selbständige Wörter zurückgeführt werden können. Dieser Prozeß ist gesetzmäßig und historisch bedingt. So sind die meisten Suffixe aus dem zweiten Element eines zusammengesetzten Wortes infolge der allmählichen Verblassung, Abschwächung seiner selbstän­digen Bedeutung entstanden. Aber man darf dabei nicht denken, daß die Suffixe die alte Lautgestalt bewahren. So wird das Suffix •schaft auf das althochdeutsche Substantiv scaft mit der Bedeutung 'Beschaffenheit', 'Zustand', 'Eigenschaft' zurückgeführt, z. B. ahd. friuntscaft — eigentlich 'der Zustand des Freundes'. Als Eigen­schaftsbezeichnung erscheinen noch viele ältere und jüngere Bildungen dieser Art: Feindschaft 'der Zustand des Feindseins', Mutterschaft, Bereitschaft u. v. a.

Im Laufe ihrer Entwicklung hat sich die Bedeutung der zweiten Komponente des zusammengesetzten Wortes verdunkelt und ist den heutigen Trägern der Sprache nicht mehr voll bewußt. Deswegen wird sie heutzutage meist nur noch als Mittel der Wortbildung aufge­faßt: Meisterschaft, Bruderschaft. Später bekommt solch ein Suffix verschiedene andere Bedeutungen, z. B. die Bezeichnung eines Sam­melbegriffes: Genossenschaft, Mannschaft.

Dieselbe Entwicklung vom selbständigen Wort zum Morphem hat auch das Suffix -heit durchgemacht. In der mittelhochdeutschen Periode bedeutete heit 'Art und Weise', 'Beschaffenheit', 'Stand' — mhd. lediger heit, eigentlich 'im ledigen Stand'. Diese Bedeutung existiert auch jetzt noch in manchen Dialekten: bayr. von junger halt auf mit der Bedeutung 'von Jugend auf. Die ursprüngliche Semantik läßt sich in vielen Substantiven mit dem Suffix -heit heraus­fühlen: Freiheit, Klugheit, Kindheit u. v. a.

Die Suffixe der Adjektive haben sich auch aus selbständigen Wörtern entwickelt, z. B. das Suffix -lich entstand aus dem althoch­deutschen Substantiv lihhi mit der Bedeutung 'Körper', 'Gestalt', daher ahd. friuntlich — eigentlich 'derjenige, der die Gestalt des Freundes hat' — das moderne freundlich. Ähnlich ist die Entwick­lung folgender Wörter: männlich, weiblich, kindlich u. v. a.

Das Suffix -bar geht auf das ahd. bäri zurück. Dies ist eine Ablei­tung aus dem althochdeutschen Verb beran 'tragen' (vgl. nhd. gebären). Die alte Bedeutung ist noch in den Ableitungen fruchtbar (eigentlich 'Frucht tragend'), dankbar, dienstbar, wunderbar, kostbar u. v. a. erhalten. Die Entwicklung der Suffixe aus selbständigen Wörtern lässt sich auch in anderen Fällen verfolgen: -tum, -ig, -sam,- -haft.

Dasselbe bezieht sich auf die Präfixe. Das Präfix be- entwickelt sich aus dem ahd. bi'um', 'herum', 'nach allen Seiten', was noch in den Verben besprechen, betasten, betrachten, besichtigen, beobachten u. a. zu fühlen ist. Das Präfix er- entwickelt sich aus dem ahd. ir,


ar, ur mit der Bedeutung 'aus', also bedeutet erinnern eigentlich 'aus dem Innern', erwählen — 'auswählen'.

Die Präfixe entwickeln sich also aus den ersten Elementen der Zusammensetzung, in denen sich die selbständige Bedeutung all­mählich abschwächt. Besonders deutlich sieht man diesen Weg der Entwicklung der Präfixe bei der Analyse der sogenannten trennbaren Vorsilben auf-, aus-, bei-, mit-, nach-, vor-, dar- u. a.

Es gibt verschiedene Meinungen hinsichtlich der sogenannten trennbaren Präfixe. Einige Linguisten (H. Paul, W. Wilmanns, V. M. Shirmunski) betrachten die Verben der Art aufgehen, mitmachen, darbringen usw. nicht als abgeleitete, sondern als zusammengesetzte. Sie behaupten, daß die ersten Elemente solcher Wörter nicht Präfixe, sondern selbständige Wörter sind, deswegen behalten die letz­teren die Betonung und werden getrennt. Andere Sprachforscher (z. B. K. A. Lew-kowskaja) schätzen solche Verben als phraseologische Einheiten ein. Sie motivieren das, indem sie anführen, daß die Kontaktschreibung dieser Verben (das Zusammenschreiben des Verbs mit dem Präfix) nur für die nominalen For­men üblich ist. In der Funktion des finiten Verbs aber wird die Distanz­schrei bung (das getrennte Schreiben des Verbs und des Präfixes) beibe­halten, was auch den phraseologischen Einheiten eigen ist. Vgl. er blickte au/ einerseits, und er nahm Abschied andererseits 1.

Man kann zugeben, daß solche Zusammenrückungen, wie teilnehmen, ratschla­gen, radfahren, schöntun u. a., sich tatsächlich aus den entsprechenden stehenden Wortverbindungen entwickelt haben. Die Entwicklungswege der stehenden Wort­verbindungen sind aber mannigfaltig. Manche von ihnen bestehen sehr lange als phraseologische Einheiten, die anderen aber entwickeln sich zu einheitlichen Wörtern und bilden zusammengesetzte Verben der Art vorbeifahren, hinausgehen, teilnehmen usw. Was aber die Distanzstellung und die Distanzschreibung des Verbs im Präsens und Präteritum anbetrifft, so ist das kein hinreichender Beweis für die Einschätzung solcher Verben als phraseologische Einheiten, denn das gilt nur für die Wortfolge im Hauptsatz. Im Nebensatz aber ist für sie die Kontakt­stellung und die Kontaktschreibung charakteristisch.

Dazu darf nicht außer Acht gelassen werden, daß eben die nominale Form des Verbs, nämlich der Infinitiv, die Grundlage der weiteren Wortbildung ist. Vgl. vorbeifahrendas Vorbeifahren, aufhebendie Aufhebung usw. Das Ge­sagte gilt nur für zusammengesetzte Verben (siehe S. 38), aber nicht für Verben mit trennbaren Präfixen, die zu Ableitungen gehören, z. B. aufstehen, aufgehen, einnehmen, mitkommen. Außerdem darf die Tendenz nicht übersehen werden, daß die trennbaren Präfixe oft in untrennbare übergehen, was man an Hand der Verben mit über, unter, wider, durch, um, voll beweisen kann. Unserer Meinung nach sind es hier einfach verschiedene Übergangsformen: von phraseologischen Einheiten zur Zusammensetzung und dann zur Ableitung. So ist Abschied nehmen eine phra­seologische Einheit; teilnehmen ist aus der stehenden Wortverbindung Teil neh­men zu einem zusammengesetzten Verb geworden; einnehmen ist jetzt schon ein abgeleitetes Verb, doch hat es sich ursprünglich aus einer stehenden Wortverbin­dung entwickelt, wobei ein auf das ahd., mhd. in 'ein', 'hinein' zurückzuführen ist. Darin spiegelt sich einerseits das Gesetz der allmählichen Entwicklung der Sprache wider, und andererseits kommen darin die Besonderheiten des wortbil­denden Systems der deutschen Sprache zum Ausdruck, was deutlich beim Ver­gleiche mit anderen Sprachen zutage tritt, in denen überhaupt die Distanzstel­lung und die Distanzschreibung des Verbs gar nicht vorhanden sind. Vgl. dt. aufgehendie Sonne geht auf und russ. âñõîäèòüñîëíöå âñõîäèò.

Das Präfix dar- aus ahd. dar 'dort', 'hier', 'dorthin' wird noch im Mittelhochdeutschen als selbständiges Wort gebraucht, z. B. nu körn iesa der hüfe dar gedrungen (Gottfried von Straß-


burg) — 'nun drang sogleich der Haufe von Kriegern dahin ein'. Die alte Bedeutung ist noch nicht ganz verlorengegangen, was man'^n folgenden Verben sieht: darreichen, Darbringen, dargeben, darstellen u. a.

In der modernen deutschen Sprache sind noch die Reste des alten selbständigen "Gebrauchs der Wörter dieser Art wie ab, auf, fort, nach, zu vorhanden. Man kann auch jetzt sagen ab und zu, fort damit!, auf und ab, nach und nach usw. Die angeführten Beispiele beweisen, daß die meisten Affixe aus selbständigen Wörtern entstanden sind. Aber es ist nicht immer möglich, das Entstehen der Affixe aus selbstän­digen Wörtern zu verfolgen, z. B. solcher wie -ung, -in, -en, -isch, -t u. a.

Dieser Umstand weist nur darauf hin, daß diese Affixe noch in die Periode vor der Entwicklung der Schriftsprache fallen. Deswegen ist es sehr schwer, manchmal sogar unmöglich, ihre Entwicklung zu verfolgen.

Als ein Nebenbeweis der Entwicklung der Affixe aus selbständigen Wörtern dient die Tatsache, daß jedes Affix seine bestimmte wortbil­dende Bedeutung besitzt. Das Suffix -ung tritt oft in seiner Haupt­bedeutung als Bezeichnung des Prozesses der Tätigkeit (Nomen actionis) auf: Wanderung, Heilung, Handlung, Reinigung, Elek­trisierung u. a.

Später bekommt dieses Suffix infolge der metonymischen Über­tragung der Namensbezeichnung auch die Bedeutung des Resultats der Tätigkeit (Nomen acti): Sammlung —"der Prozeß des Sammeins— und das Resultat, z. B. Markensammlung; Sendung, Ladung, Bildung usw.

Die Hauptbedeutung des Suffixes -in ist die Bezeichnung einer handelnden Person weiblichen Geschlechts: Lehrerin, Sängerin, Stu­dentin u. a. Andere Schattierungen der Bedeutung entwickeln sich auf Grund dieser Hauptbedeutung. Dieses Suffix kann jetzt auch auf die territorielle Herkunft der Person hinweisen: Chinesin, Tschechin, Italienerin u. a. Das Suffix -in bezeichnet auch die Gattinnen der dem betreffenden Stande oder Berufe angehörigen Männer: Doktorin, nämlich 'die Gattin eines Doktors'; Professorin, Pfarrerin u. a. Auf -in werden aus einigen männlichen Namen mancher Tiere und Vögel auch weibliche gebildet, vgl. Löwin, Bärin, Wölfin, Hündin, Eselin, Füchsin, Störchin u. a.

Das Suffix der Adjektive -isch weist vor allem auf die Zugehörig­keit, Abstammung hin: städtisch, dörfisch, irdisch, französisch, rus­sisch usw. Andere Nuancen der Bedeutung sind als Ergebnis der wei­teren Entwicklung der Hauptbedeutung zu betrachten, z. B. der Hinweis auf die Eigenschaft, Qualität: kriegerisch, kindisch, manch­mal auf die Neigung: dichterisch, schwärmerisch, neckisch, spöttisch, murrisch u. a.

Die Abstammung der Affixe aus selbständigen Wörtern kann auch dadurch bewiesen werden, daß viele Wörter der modernen deutschen Sprache sich zu Affixen entwickeln: -voll, -los, -frei, -werk, -mannu. a. Daraus folgt, daß der Hauptweg der Entstehung von Affixen ihre


Entwicklung aus selbständigen Wörtern ist, für die Präfixe — aus den ersten Elementen der Zusammensetzung, für die Suffixe — aus den zweiten. So sehen wir, daß die Zusammensetzung und die Ableitung genetisch verwandt sind. Aber in der modernen deutschen Sprache betrachten wir sie als zwei verschiedene Arten der Wortbildung.

Der Entstehung der Affixe geht ein langer Prozeß voraus: der erste oder der zweite Teil des zusammengesetzten Wortes verliert seine selbständige lexikalische Bedeutung und erhält eine wortbildende abstrakte Bedeutung, was ihm das Anknüpfen an verschiedene Stämme ermöglicht. Auf diese Weise schließt sich das entstandene Affix dem System der deutschen Sprache an.

Folgende Merkmale charakterisieren den endgültigen Übergang der selbständigen Wörter in Affixe:

1. Einbuße der selbständigen Dingbedeutung des sich zu einem
Affix entwickelnden Wortes.

2. Entstehung der verallgemeinernden (abstrakten) Bedeutung:
das Suffix -schaft als Bezeichnung eines abstrakten Begriffes.

3. Entwicklung neuer affixaler Bedeutungen auf Grund der alten
Hauptbedeutung: das Suffix -schaft als Bezeichnung eines Sammel­
begriffes.

4. Verbreiteter Gebrauch in der wortbildenden Funktion und
Anknüpfen an verschiedene Stämme.

5. Möglichkeit, neue Wörter nach Analogie zu bilden: -lichtäglich,
nächtlich, zeitlich, monatlich
usw.

6. Entstehung grammatischer Bedeutungen, insofern die Affixe
imstande sind, grammatische Kategorien zu bezeichnen, z. B. die
Suffixe können auf die Zugehörigkeit zur Wortart, auf das grammatische
Geschlecht usw. hinweisen.

7. Untergang des zugrunde liegenden Wortes im selbständigen
Gebrauch.

Die Entstehung der Affixe aus selbständigen Wörtern ist aber nicht der Einzel-, obwohl der Hauptweg ihrer Entwicklung.

§ 36. Der zweite Weg der Entstehung der Affixe, eigentlich der Suffixe, ist die Neuverteilung der Stämme. Auf diese Weise sind folgende Suffixe entstanden:

1. Suffixe der Substantive: -ling, -ler, -ner, -aner, -keit, -igkeit,
-elei, -erei;

2. Suffixe der Adjektive: -ern;

3. Suffixe der Verben: -ern, -eln, -sen, -zen, -igen. Wir führen hier
die Suffixe der Verben zusammen mit dem Infinitivsuffix -(e)n an,
das natürlich bei der Konjugation verschwindet, z. B. stottern, aber
ich stottere usw.

Diese infolge der Neuverteilung entstandenen Suffixe werden erweiterte Varianten (ðàñøèðåííûå âàðèàíòû) genannt. Sie werden aus den schon existierenden Suffixen gebildet, die durch die Zufügung von Konsonanten oder Vokalen des Stammes erweitert werden. Auf diese Weise ist das Suffix -ling aus dem alten -ing ent-


standen. Das Suffix -ing bezeichnete ursprünglich 'den Nachkommen', z. B. in dem Worte kuning (ahd. kunni 'das Geschlecht')'der Nach­komme des Geschlechts', dann 'den ältesten im Geschlecht'; mit dem Übergang zum Feudalismus, mit der Entwicklung des feudalen Staates begann dieses Wort auch 'das Haupt des Staates', 'den Kö­nig' zu bezeichnen. Von dieser Bedeutung des Suffixes -ing zeugen manche geographische Namen in Deutschland, ursprünglich Benen­nungen der alten Siedlungen nach den Stämmen: Reutlingen, Solin­gen u. a. In der alten Bedeutung existiert das Suffix -ing auch in dem Wort Carolingi 'Karls Nachkommen', eigentlich 'Vertreter der Dynastie Karls des Großen'. Aus dem ähnlichen Gebrauch entwik-kelte sich wahrscheinlich die erweiterte Variante lingi, indem der Konsonant / der Wurzel zum Suffix hinzugefügt wurde. Diese neue Variante wird als selbständiges Suffix auch in anderen Fällen schon als eine Analogieerscheinung gebraucht und verdrängt allmählich fast völlig die alte Form -ing; die letztere ist jetzt nur in wenigen Wörtern geblieben: Hering, Messing, in der reduzierten Form in König, Pfennig und in einigen toponymischen Termini. In der alten Bedeutung ist dieses Suffix jetzt nicht sehr gebräuchlich, es gibt nur einige Wörter — Fremdling 'jemand aus der Fremde', Sprößling u. a. Allmählich bekommt dieses Suffix neue Schattierungen seiner Bedeutung, am häufigsten ist die der handelnden Person: Jüngling, Flüchtling, Lehrling, Säugling u. a. Nach Analogie kann es sowohl abstrakte Substantive Frühling als auch konkrete Gegenstände — Fäustling bezeichnen.

Der Entstehungsweg des Suffixes -keit aus dem Suffix -heil ist ziemlich verwickelt. In der althochdeutschen Periode existierte das vom Adjektiv ewig abgeleitete Substantiv ewikheit 'Ewigkeit'. In der mittelhochdeutschen Periode entwickelte sich die reduzierte Form ewekeit, daher die jetzige Variante -keit. Zur Auffassung des Gebildes -keit als eines selbständigen Suffixes verhelfen im Mittel­hochdeutschen solche Fälle, wo zwischen der Wurzel des Adjektivs und dem Suffix -heit noch das Suffix -ec eingeschaltet war, vgl. z. B. miltecheit zu milte, während das Adjektiv m iltec nicht gebräuchlich war. Allmählich ist das neue Suffix -keit zu einem produktiven wort­bildenden Morphem geworden.

Was die Bedeutung des Suffixes -keit anbetrifft, ist sie dieselbe, wie die des Suffixes -heit. Das Suffix -keit seinerseits entwickelt sich zu einer neuen erweiterten Variante -igkeit durch die Hinzufügung des Suffixes -ig von den Adjektiven des Typus freudig.

Mit Hilfe des Suffixes -igkeit entstehen jetzt die Substantive aus manchen suffixlosen Adjektiven der Art Neuigkeit, Kleinigkeit und aus den Adjektiven mit dem Suffix -losFurchtlosigkeit, Herzlosig­keit, Lieblosigkeit u. a. Auf eine ähnliche Weise sind auch erweiterte Varianten -ler, -ner, -aner aus dem Suffix -er und -elei, -erei aus dem Suffix -ei entstanden.


Das erweiterte Suffix der Adjektive -ern entwickelt sich aus dem Suffix -n, -en: Seide — seiden, Wollewollen, Gold —golden, Silbersilbern, Kupferkupfern u. a. Wahrscheinlich entsteht aus solchen Fällen wie silbern, kupfern auch die erweiterte Variante -ern auf Kosten des r des ursprünglichen Stammes: Holz — hölzern, Glas — gläsern, Stein — steinern, Eisen — eisern (mit dem Ausfall des n — vgl. ahd. isarnin) u. a. In der Wortart der Verben gibt es auch erweiterte Varianten des Infinitivsuffixes -(e)n: -ern, -eln, -sen, -zen, -igen, z. B. stottern, lächeln, hopsen, jauchzen, reinigen. Diese Art der Bildung von Suffixen ist im modernen Deutsch wenig verbreitet. Doch ermöglicht sie die weitere Entwicklung der Suffixe oft mit neuen Bedeutungen oder Schattierungen der Bedeutung. Auf dem Wege der Neuverteilung der Stämme werden die Präfixe in der deutschen Sprache nicht gebildet.

In der russischen Sprache ist diese Art der Suffixbildung höchst produktiv. So sind aus dem Suffix -åö erweiterte Varianten entstanden -îâåö, -àíåö, -èàíåö, -èåö: ëåíèíåö, âóçîâåö, ðåñïóáëèêàíåö, êàíòèàíåö, áàëòèåö u. a. l

§ 37. Den dritten Weg der Entstehung von Affixen bildet die Entlehnung aus anderen Sprachen. Die überwiegende Mehrzahl der Affixe der deutschen Sprache ist germanischer Herkunft, einige aber sind entlehnt. Hier muß betont werden, daß die Entlehnung der Präfixe eine viel seltenere Erscheinung ist als die der Suffixe. Die Affixe dringen in der Regel zusammen mit entlehnten Wörtern in die deutsche Sprache ein, z. B. indiskret, amoral, Student u. a. Durch Entlehnung haben sich folgende Affixe entwickelt:

a) Die Präfixe in - indiskret, a - amoral, re - rekonstruieren,

antiAntifaschist, neoNeorealismus, e- — enorm, erz-Erz­bischof.

b) Die Suffixe -istKommunist, -ent — Student, -ant — As­
pirant, -ismus — Materialismus, -tion — Revolution, tat — Solida­
rität, -ium — Auditorium, -um
Publikum, -anzAmbulanz, -enz
Audienz, -eurIngenieur, -ärRevolutionär, -ie — Melodie u. a.

Mit deutschen Stämmen werden sie selten verbunden. Von den Präfixen kann in dieser Hinsicht nur die Rede von erz- sein. Das Präfix -erz (vom. grch. archi, lat. arci) wird infolge seiner völligen Assimilation auch zu den deutschen Stämmen hinzugefügt: Erzdieb, Erzschelm, erzfaul, erzdumm usw.

Von den Suffixen werden nur -ist, -ismus mit deutschen Stämmen gebraucht: Hornist, Flötist, Marxist, Marxismus. Zwei entlehnte Suffixe -er (aus dem lat. arius, ahd. äri, mhd. aere) und -ei (aus dem frz. -ie) haben infolge der vollständigen Assimilation ihren fremdar­tigen Charakter verloren und sich in das System der produk­tiven deutschen Suffixe eingegliedert. Diese Suffixe werden in der modernen Sprache als deutsche aufgefaßt. Ihre fremdsprachliche


Herkunft kann nur mit Hilfe der etymologischen Analyse aufgedeckt werden.

Das verbale Infinitivsuffix -ieren entwickelt sich aus dem frz. -ier infolge der Erweiterung auf Kosten des deutschen Infinitivsuf­fixes -(e)n. Es ist produktiv und bildet Wörter nicht nur mit fremden Stämmen — studieren, organisieren, sondern auch mit deutschen — halbieren, stolzieren, buchstabieren, schattieren, hausieren usw.

§38. Klassifikation und Charakteristik der Affixe nach dem morphologischen Prinzip. Da die Hauptfunktion der Affixe ist, neue Wörter zu bilden, gehören alle Affixe dem wortbildenden System der deutschen Sprache an. Außer­dem dienen sie als Mittel der grammatischen Charakteristik des Wor­tes. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Präfixe von den Suffixen. Die letzteren weisen immer auf die Zugehörigkeit des Wortes zu einer bestimmten grammatischen Kategorie (Wortart, Geschlecht) hin.

Das Suffix -schaft zeigt z. B. die Zugehörigkeit des Wortes zu der grammatischen Kategorie des Substantivs weiblichen Geschlechts (die Freundschaft), das Suffix -sam aber dient zur Ableitung der Adjektive (arbeitsam).

Von diesem Standpunkt aus werden die Suffixe leicht nach dem morphologischen Prinzip klassifiziert und in die der Substantive, der Adjektive usw. eingeteilt.

a) Suffixe der Substantive: -er, -ler, -ner, -aner, -ling, -in, -ung,
-ei, -elei, -erei, -schaft, -heit, -keit, -igkeit, -chen, -lein, -tum,
-nis,
-ismus, -ant, -ent, -at, -or, -eur, -tion, -tat u. a.

Die meisten dieser Suffixe können auch die grammatische Kate­gorie des Geschlechts bestimmen, z. B. die Suffixe -er, -Ier, -ner, -aner, -ling, -ist, -ant, -eur, -or, -ismus bilden immer Substantive männlichen Geschlechts, die Suffixe -in, -ung, -schaft, -heit, -keit, -ei, -elei, -erei, -tion, -tat u. a. — die des weiblichen Geschlechts und die Suffixe -chen, -lein, -tum — die des sächlichen (Ausnahmen bilden nur zwei Substantive der Reichtum und der Irrtum). Nur bei wenigen Suffixen der Substantive sind Schwankungen im Gesch­lecht zu beobachten. Zu diesen Suffixen gehören -nisdie Finsternis, aber das Verhältnis, -sä/— das Schicksal, aber die Trübsal, die Müh­sal; sel (die Variante des Suffixes -sä/) — das Überbleibsel, das Rätsel, aber der Stöpsel.

b) Suffixe der Adjektive: -lich, -bar, -ig, -sam, -haft, -isch, -en, -ern.

c) Viel schwieriger ist die Bestimmung der Suffixe von Adver­
bien, denn eigentlich gibt es keine ausgesprochen adverbialen Suf­
fixe. Die meisten Ableitungen mit den adjektivischen Suffixen können
als Adverbien auftreten.

Alles vollzog sich werktäglich, es war, als lese jemand Briefe vor (L. F e u ñ h t w a n g e r).

Er setzt die Beine steif und vorsichtig, damit er sein Glück nicht zertut (E. S t r i t t m a t t er).


Als Adverbialsuffix kann da, Suffix -s gelten. Die Häufigkeit der adverbialen Genitivformen auf -s ist Veranlassung geworden, daß s als ein Adverbialsuffix aufgefaßt wird. Infolgedessen hat sich s an eine Anzahl fertiger Adverbialformen angeschlossen: diesseits, jenseits, abseits, seitens, allerdings, unterwegs, vergebens, eilends, nachts u. a,

Ungefähr dasselbe kann man von -ens sagen in erstens, nächstens, mindestens, längstens u. a.

Im Prozeß der,Sprachentwicklung entstehen aus den zweiten Kom­ponenten der Zusammensetzungen auch gegenwärtig solche sprach­lichen Elemente, die sich Suffixen nähern (siehe S. 52).

d) Suffixe der Verben -n, -(n)en, -eln, -ern, -sen, -zen, -igen, -ieren.

Für die Suffixe ist nicht nur die wortbildende, sondern auch die grammatische Funktion charakteristisch.

Was die Präfixe anbetrifft, so ist ihre morphologische Charakte­ristik nicht so deutlich ausgeprägt. In dieser Hinsicht muß nur eine kleine Gruppe der nominalen Präfixe abgesondert werden und zwar solcher, die imstande sind, Substantive und Adjektive zu bilden.

Zu dieser Gruppe gehören folgende Präfixe: u n-, ur-, erz-, z. B. un-

Unruhe, unglücklich; ur - Urgeschichte, urplötzlich; erz- — Erz­schelm, erzfaul.

Manche Präfixe können sowohl Nomina als auch Verben bilden, z. B. mißMißverständnis, mißlich, mißlingen; ge- — Gestirn, ge­heim, gestehen.

Die meisten der sogenannten untrennbaren (be-, ge-, ent-, er-, ver-, zer-) und trennbaren (auf-, an-, zu-, aus-, fort- usw.) Präfixe dienen zur Bildung von Verben: beantworten, gehören, entstehen, erreichen, versuchen, zerteilen, aufnehmen, anlegen, zunehmen, aus­wählen u. v. a. Von den Verben dieser Art können mit Hilfe der Suffixe und manchmal des Ablauts auch Substantive gebildet werden: Beantwortung, Entstehung, Erreichung, Zerteilung, Aufnahme, An­lage, Zunahme, Ausgabe u. a. Solche Substantive haben der Herkunft nach einen ausgesprochen verbalen Charakter.

Die morphologische Charakteristik der Präfixe der deutschen Sprache ist schwer zu geben. Die Präfixe können aber auch eine spe­zifisch grammatische Bedeutung haben. Durch Zufügung einiger Präfixe werden manche Verben perfektiviert. Vom Standpunkte der Aktionsart entstehen folgende Verbalpaare: blühen (imperfektive Aktionsart) — erblühen (perfektive Aktionsart) bebenerbeben, schlafen — entschlafen, flammen — entflammen, brennenverbren­nen usw. Die- Präfixe können auch zur Transitivierung. der intran­sitiven Verben beitragen: steigenbesteigen, weinenbeweinen, antwortenbeantworten.

§39. Klassifikation und Charakteristik der Affixe nach dem semantischen Prinzip. Im Prozesse der Entwicklung verändern die Affixe ihre Semantik; es entstehen oft statt der alten Bedeutungen oder neben ihnen neue, und so werden


Und das belebende Gas wurde den Sterbenden zum Zweck einer letzten Anfeuerung und Hinhaltung ihrer Kräfte zugeführt (T h. Mann).

Nein, eingelebt war er noch keineswegs... noch auch in bezug auf die Anpassung seines Organismus an die so sehr eigentümlichen atmosphärischen Verhältnisse (T h. Mann).

§ 50. Ein Übergang von Substantiven, von Adjektiven, von Prono­men und von Adverbien in die Wortart der Konjunktionen ist im moder­nen Deutsch selten zu beobachten. Als Beispiele des Übergangs des Sub­stantivs und des Adverbs in die Wortart der Konjunktion können folgende Wörter dienen: falls, ebenfalls, freilich, allerdings, näm­lich, trotzdem, nachdem u. a.

In folgendem Satz Er ist daher gekommen ist daher ein Adverb und tritt als Adverbiale des Ortes auf, jedoch im Satz Ich mußte an diesem Tage fort, daher kam es, daß ich dich nicht sehen konnte ist daher eine beiordnende Konjunktion.

Es kommt vor, daß auch Adjektive und Pronomen in Konjunktio­nen übergehen, was aber ihren Gebrauch in der alten Funktion nicht ausschließt, z. B. Er wird auch ferner im Amt bleiben — ferner ist ein Adverb in der Komparativstufe; Diese Frage ist wichtig, ferner ist sie auch interessant—ferner ist eine beiordnende Konjunktion. Das­selbe läßt sich von den Wörtern weiter, allein u. a. behaupten. Er wohnt ganz allein — hier ist allein ein Adverb. Ich war bei ihm, al­ lein ich traf ihn nicht an — hier ist allein eine Konjunktion. Kon­junktionen entstehen auch infolge der Zusammensetzung der Prono­men mit Präpositionen oder Adverbien: deswegen, deshalb, indem u. a.

§ 51. Die Verbalisierung oder die Bildung der Verben aus ver­schiedenen Wortarten ist auch eine verbreitete Erscheinung.

Es sind schwache Verben, die aus anderen Wortarten, meist aus Adjektiven und Substantiven, ohne wortbildende Affixe gebildet werden. Die auf diese Weise entstandenen Verben erhalten nur gram­matische Affixe und Flexionen, z. B. aus dem Adjektiv grün ent­steht das Verb griin-en, aus dem Substantiv Frühstück das Verb fruh­stück-en.

§ 52. Infolge der Erweiterung der grammatischen Funktion, in­folge des Übergangs der Wörter aus einer grammatischen Kategorie in eine andere sind also früher viele neue Wörter entstanden; sie entstehen auch jetzt, denn der Entwicklungsprozeß der Wortarten ist nicht vollendet, und es lassen sich verschiedene Wege der Bereiche­rung einzelner Wortarten durch neue Wörter in jeder modernen Sprache verfolgen.

Der Übergang aus einer Wortart in eine andere ist eine produk­tive, lebendige Art der Wortbildung, die eine große Bedeutung für


die Bereicherung des Wortschatzes der deutschen Sprache hat. Die Wörter, die auf diese Weise entstanden sind, verlieren oft ihren in­neren Zusammenhang mit den alten Stämmen und bilden neue Wort­stämme, die schon selbst als Zentren der Wortbildung dienen, d. h. daß auf deren Grundlage neue Wörter gebildet werden. Feind, Freund u. a. sind ihrer Etymologie nach alte Partizipien, deren ursprüngliche Formen schon längst aus der Sprache verschwunden sind. In der modernen deutschen Sprache sind sie selbständige Wörter, die schon andere Begriffe ausdrücken und nicht nur den Wortbestand der deutschen Sprache bereichern, sondern auch als Zentren ganzer Wortfamilien dienen können, denn mit ihrer Hilfe lassen sich neue Wörter bilden, z. B. aus dem Substantiv der Feind sind feindlich, Feindschaft, feind­selig, Feindseligkeit gebildet; aus dem Substantiv der Freund — freundlich, Freundlichkeit, Freundschaft, freundschaftlich, sich be­freunden; aus dem substantivierten Adjektiv Herr haben sich viele Wörter entwickelt: herrenlos, Herrin, Herrschaft, nerrschaftlich, her­risch, herrlich, Herrlichkeit, Herrscher (in), herrschen und dazu noch eine Menge von Zusammensetzungen.

Außerdem entstehen auf Grund des Übergangs in andere Wort­arten viele Homonyme, die auch den Wortschatz der deutschen Spra­che bereichern.

Vertreten sind auch aus permischen Salzen und Gipsen gebildete Salzdome (gebildete ist Partizip II vom Verb bilden, eigentlich 'bestehende'), aber Ein sehr vernünftiger, anständiger und gebildeter Mann ist er (gebildeter ist ein Adjektiv, welches dem Substantiv eine qualitative Charakteristik verleiht).

Geschickt — Partizip II vom Verb schicken und daneben ge­schickt—ein Adjektiv, z. B. der geschickte Brief (Partizip II) und der geschickte Arbeiter (Adj).

Der Übergang aus einer Wortart in eine andere ist also neben anderen Arten der Wortbildung eine produktive Art der Bildung neuer Wörter, d. h. der Bereicherung des Wortschatzes der deutschen Sprache.


 

Áèëåò 33. Die Kürzung ist die Wortbildungsart, mit deren Hilfe die schon in der Sprache existierenden Zusammensetzungen und Wort­verbindungen zu einem Komplex abgekürzt werden, z. B. HO ist die Kürzung des zusammengesetzten Wortes Handelsorganisa­tion..

Die Kürzung ist ursprünglich als ein technischer Handgriff in der Schriftsprache entstanden. Ihre Entstehung hängt aufs engste mit der komplizierten Technik des Handschreibens in den alten Epochen der Geschichte zusammen. Deswegen hatten die alten.Kurz­wörter einen ausgesprochen schriftlichen (graphischen) Charakter. Die Schreiber strebten offenbar danach, Material und Zeit zu sparen; sie arbeiteten besondere Abkürzungen oft vorkommender Ausdrücke aus, die teilweise von der späteren polygraphischen Technik über­nommen wurden. Zu solchen gehören: z. B. — zum Beispiel, u. s. w. (usw.) — und so weiter, u. a. — und andere, Anm. — Anmerkung u. v. a. Als Ursache der späteren Abkürzungen kann auch die techni­sche Bequemlichkeit ihres Gebrauchs gelten, besonders auf dem Gebiete der Telegraphie, der Technik. Die Entstehung einiger Abkürzungen in der modernen deutschen Sprache kann auch durch eine besondere, in der Sprache wirkende Gesetzmäßigkeit erklärt werden.

Vor allem werden Fachausdrücke abgekürzt, deswegen gibt es in der sogenannten Umgangssprache nur einzelne Abkürzungswörter. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind in der deutschen Sprache viele Kurzwörter entstanden. Zur Illustration dient hier das Kurzwort­lexikon, das 1934 herausgegeben wurde und 26 000 deutsche und fremde Abkürzungswörter enthält. Natürlich sind neue Kurzwörter, die nach 1934 enstanden sind, in diesem Wörterbuch nicht zu finden.

Kurzwörter existieren in der Regel als Varianten der un­abgekürzten Wörter und Wortverbindungen.

Die volle Variante kann durch die abgekürzte verdrängt, manch­mal sogar durch ein neues Wort ersetzt werden, dabei bleibt das

Kurzwort unverändert. Das kommt in dem Fall vor, wenn das Kurz­wort schon als ein selbständiges Wort aufgefaßt wird und unabhängig von der vollen Variante existiert. Solche Abkürzungen wie U-Bahn. werden öfter gebraucht als ihre vollen Varianten: Untergrundbahn,

Alle Abkürzungswörter werden in zwei Gruppen eingeteilt: in schriftliche (graphische) und mündliche (phonetische).

Unter den schriftlichen versteht man solche, die nur als Resultat des technischen Handgriffes entstanden sind und keine lautlichen Varianten bekommen, d. h. sie werden nicht in der abgekürzten Form ausgesprochen, sogar beim Lesen, z. B. Rgt, a. D., usw., u. a. (Regiment, außer Dienst, und so weiter, und andere). Unter den mündlichen dagegen versteht man solche, die auch lautlich ge­staltet und in der abgekürzten Form ausgesprochen werden: MTS, SED, U-Bahn, Flak u. v. a. (Vgl. die russ. êîëõîç, êîìñîìîë, ïðîô­ñîþç, ðàéêîì, âóç u. a.). Lautliche (phonetische) Abkürzungen ge­hören meistenteils zu der Wortart der Substantive. Aber bevor das Kurzwort zu einer lexikalischen Einheit wird, kann es einen langen Entwicklungsgang durchmachen.

Die morphologische Anpassung des abgekürzten deutschen Sub­stantivs besteht darin, daß es einen Artikel bekommt und sich nach der Zahl und dem Kasus verändert. Das grammatische Geschlecht des Kurzwortes wird gewöhnlich nach dem des Grundwortes bestimmt, wenn ein zusammengesetztes Wort abgekürzt wird: die Untergrund­bahn — die U-Bahn, der Weltgewerkschaftsbundder WOB, das Maschinengewehrdas Mg.


 

Die Kurzwörter werden nach der Deklinationsart der Hauptkom­ponente dekliniert, z. B.

Nom. die Fliegerabwehrkanone daher die Flak

Gen. der Fliegerabwehrkanone der Flak

Dat. der Fliegerabwehrkanone der Flak

Akk. die Fliegerabwehrkanone die Flak

Die Form des Plurals der Kurzwörter gestaltet sich anders als die der Hauptkomponente der vollen Variante. Unabhängig davon, welches Suffix für die Mehrzahl der vollen Variante kennzeichnend ist, bildet das Kurzwort die Pluralform mit Hilfe des Suffixes -s: die Ma-schinentraktorenstationdie Maschinentraktorenstationen, aber die MTSdie MTS's.

In der deutschen Sprache gibt es mehrere Arten der Ab­kürzung.

a) Die einfachste Art besteht in dem Weglassen nur eines Teils des Wortes und in der Erhaltung des Übriggebliebenen. Solche Ab­kürzungen nennen wir Stummel (îáðóáîê). So gebraucht man z. B. statt gestern Abend — gest. Ab.

b) Sehr verbreitet ist, aber nur in der schriftlichen Form der Sprache,
die zweite Art der Abkürzung — die Abkürzung durch die Zusammen­
ziehung des Wortes infolge des Verschwindens der Vokale und mancher
Konsonanten. Solche Abkürzungen heißen Kontraktionen
(êîíòðàêöèÿ). Sie sind schwer auszusprechen, bewahren vor allem
den graphischen Charakter und werden mündlich nur in der vollen
Form ausgesprochen: mtl. statt monatlich, vgl. statt vergleich.

d) Die dritte Art der Abkürzungen ist die Abkürzung nach den
Anfangsbuchstaben der Komponenten einer Zusammensetzung oder
Wortverbindung. Diese Abkürzungen sind sehr verbreitet. Unter
Kurzwörtern dieser Art unterscheidet man aber solche, die nach den
Lauten der Bestandteile der Abkürzungen ausgesprochen werden, —
die sogenannten Lautkurzwörter (çâóêîâûå ñîêðàùå­
íèÿ), z. B. die Hapag aus die Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt-
Actien-Gesellschaft

e) Die vierte Art der Abkürzung ist die Kürzung nach den Anfangs­
silben der Komponenten, nämlich die Silbenkurzwörter
(ñëîãîâûå ñîêðàùåíèÿ), z. B. die Mapidie Maschinenpistole, die
Hauwewa — die Hauptwetterwarte
u. a.

Die fünfte Art der Abkürzung ist die Buchstabenabkürzung
des ersten Elementes der Zusammensetzung bei Beibehaltung des
Grundwortes: die U-Bahn aus die Untergrundbahn.

Der Gebrauch der Abkürzungen ist sehr mannigfaltig, sie sind am häufigsten auf dem Gebiete des politischen Lebens zu treffen:

KPD — Kommunistische Partei Deutsch­lands, ND — Neues Deutschland (Zeitung).

Auch auf dem Gebiete der Wirtschaft gibt es zahlreiche Abkürzungen: Bezeichnungen verschiedener Betriebe D-Mark und DM — Deutsche Mark.

Auf dem Gebiete der Technik:

LKW — Lastkraftwagen, PKW — Personenkraftwagen, U-Bahn — Untergrundbahn.

Auf dem Gebiete des alltäglichen Lebens. Hierher gehören Kurzwörter verschiedener Art: die Uni, das Kino, das Photo, die U-Bahn.


 

Áèëåò 34. Die Lautnachahmung (Schallnachahmung) ist eine beson­dere Wortbildungsart, bei der die Wörter infolge der Nachahmung der Naturlaute entstehen, z. B. unter dem Einfluß des Kuckucks­geschreis ist das Wort Kuckuck, die Bezeichnung dieses Vogels selbst, entstanden.

Diese Wortbildungsart kommt in allen indoeuropäischen Sprachen vor. In der russischen Sprache existieren folgende lautnachahmende Wörter: êóêóøêà, êóêîâàòü, òèêàòü, ìÿóêàòü, êàðêàòü, êâàêàò.

. Lautnachahmende Wörter können verschiedenen Wortarten angehören. Am häufigsten entwickeln sich auf diese Weise Interjek­tionen: Ach! Juchhe! Âèò! Klatsch! Patsch! Knacks! Plumps! Hops! usw. (Vgl. russ. àõ! îõ! áàö! áàõ! øë¸ï! õëîï! u. a.)

Es sind auch eine Reihe Verben auf diese Weise entstanden: du­deln, jodeln, klirren, krähen, puffen, quaken, piepsen, meckern, wiehern,

trillern, ticken, tacken, miauen u. a. (Vgl. russ. ìÿóêàòü, êâàêàòü, òèêàòü u. à.)

Es gibt auch lautnachahmende Substantive: Uhu, Krähe, Kie­bitz u. a.

Manchmal wird die Lautnachahmung von der Gemination (Ver­doppelung) der Wurzel begleitet; das verstärkt den lautnachahmen­den Charakter des Wortes, z. B. Kuckuck, Töfftöff — die scherz­hafte Bezeichnung des Autos, Tacktacktack — dasselbe des Maschi­nengewehrs. Dabei findet manchmal der Wechsel des Stammvokals statt: Ticktack — für die Uhr, Piff paff — für den Schuß eines Gewehrs und das Gewehr selbst usw.

Manche lautnachahmende Wörter verlieren im Prozesse ihrer Entwicklung ihren lautnachahmenden Charakter, wie z. B. das schon früher erwähnte Wort Eule (aus ital. ululd). Dasselbe gilt auch für das Verb lachen aus dem ahd. lahhen (hlahhen), wo der lautnach­ahmende Charakter des Verbs noch nicht völlig verschwunden ist. (Vgl. russ. õîõîòàòü und das dt. kichern, welche noch ihren laut­nachahmenden Charakter bewahrt haben.)

Lautnachahmende Wörter treten in den Wortbestand der deutschen Sprache ein, werden in verschiedenen Sprachstilen gebraucht, sowohl in der Umgangssprache (auch im Argot und in den Jargons) als auch in der Sprache der schönen Literatur.

Die Lautnachahmung — nicht als künstlerisches Mittel, sondern als eine Wortbildungsart — ist jetzt nicht mehr produktiv und spielt gar keine große Rolle in der Bereicherung des Wortbestandes der modernen deutschen Sprache. Aber sie ist doch ein selbständiges Wortbildungsmittel, das in der Vergangenheit eine ziemlich große Zahl von Wörtern geschaffen hat und auch jetzt imstande ist, neue Wörter zu schaffen.

Die Lautnachahmung als eine Wortbildungsart unterscheidet sich von den vier anderen (Zusammensetzung, Ableitung, Übergang aus einer Wortart in die andere, Abkürzung) dadurch, daß sie neue nie früher existierende Wurzeln bildet: Kuckuck, Uhu, wiehern u. a., während die übrigen Wortbildungsarten nur mit schon existierenden Wurzeln zu tun haben: Frühstück, binden, Leben u. a.


Áèëåò 39. Der dritte Weg der Bereicherung des deutschen Wortbe­standes ist der B e d e u t u n g s w a n d e l, d. h. die Veränderung der Bedeutung schon existierender Wörter.


1 | 2 | 3 |

Ïîèñê ïî ñàéòó:



Âñå ìàòåðèàëû ïðåäñòàâëåííûå íà ñàéòå èñêëþ÷èòåëüíî ñ öåëüþ îçíàêîìëåíèÿ ÷èòàòåëÿìè è íå ïðåñëåäóþò êîììåð÷åñêèõ öåëåé èëè íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ. Ñòóäàëë.Îðã (0.079 ñåê.)