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Das siebente Kapitel - Siamesische Katzen

×èòàéòå òàêæå:
  1. Das achte Kapitel - Der Schneemann Kasimir
  2. Das dritte Kapitel - Mutter Hagedorn und Sohn
  3. Das erste Kapitel - Dienstboten unter sich und untereinander
  4. Das neunzehnte Kapitel - Vielerlei Schulzes
  5. Das sechzehnte Kapitel - Auf dem Wolkenstein
  6. Das vierzehnte Kapitel - Die Liebe auf den ersten Blick
  7. Das zehnte Kapitel - Herrn Kesselhuths Aufregungen
  8. Das zwanzigste Kapitel - Das dicke Ende
  9. III. KAPITEL. Von den Engeln. Ãëàâà III. Îá Àíãåëàõ
  10. III. KAPITEL. Von den zwei Naturen. Gegen die Monophysiten. Ãëàâà III. Î äâóõ åñòåñòâàõ (âî Õðèñòå), ïðîòèâ ìîíîôèçèòîâ
  11. Moritz von Schwind. Die Katzensymphonien, 1868

 

Dieser Abend hatte es in sich. Das erste Mißverständnis sollte nicht das letzte bleiben. (Echte Mißverständnisse vervielfältigen sich durch Zellteilung. Der Kern des Irrtums spaltet sich, und neue Mißverständnisse entstehen.)

Während Kesselhuth den Smoking anzog und Schulze, dicht unterm Dach, den Spankorb auskramte,
saß Hagedorn, im Glänze seines blauen Anzugs, in der Halle, rauchte eine der Zigaretten, die ihm Franke, der Untermieter, auf die Reise mitgegeben hatte, und zog die Stirn kraus. Ihm war unbehaglich zumute. Hätte man ihn schief angesehen, wäre ihm wohler gewesen. Schlechte Behandlung war er gewöhnt. Dagegen wußte er sich zu wehren. Aber so?

Er glich einem Igel, den niemand reizen will. Er war nervös. Weswegen benahmen sich die Menschen mit einem Male derartig naturwidrig? Wenn plötzlich die Tische und Stühle in die Luft emporgeschwebt wären, mitsamt dem alten Portier, Hagedorn hätte nicht überraschter sein können.

Er dachte:»Hoffentlich kommt dieser olle Schulze bald wieder. Bei dem weiß man doch, woran man ist!«Zunächst kamen aber andere Gäste. Denn das Abendessen näherte sich seinem Ende.

Frau Casparius ließ die Nachspeise unberührt und segelte hastig durch den großen Speisesaal.

»Eine widerliche Person«, sagte die Mallebré.

Baron Keller blickte vom Kompotteller hoch, verschluckte einen Kirschkern und machte Augen, als versuche er in sein Inneres zu blicken.

»Inwiefern?«fragte er dann.

»Wissen Sie, warum die Casparius so rasch gegessen hat?«

»Vielleicht hat sie Hunger gehabt«, meinte er nachsichtig.

Frau von Mallebré lachte böse.

»Besonders scharfsinnig sind Sie nicht.«

»Das weiß ich«, antwortete der Baron.

»Sie will sich den kleinen Millionär kapern«, sagte die Mallebré.

»Wahrhaftig?«fragte Keller.»Bloß weil er schlecht angezogen ist?«

»Sie wird es romantisch finden.«

»Romantisch nennt man das?«fragte er.»Dann muß ich Ihnen allerdings beipflichten: Frau Casparius ist wirklich eine widerliche Person.«

Kurz darauf lachte er.

»Was gibt's?«fragte die Mallebré.

»Mir fällt trotz meines notorischen Mangels an Scharfsinn auf, daß auch Sie besonders rasch essen.«

»Ich habe Hunger«, erklärte sie ungehalten.

»Ich weiß sogar, worauf«, sagte er.

Frau Casparius, die fesche Blondine aus Bremen, hatte ihr Ziel erreicht. Sie saß neben Hagedorn am Tisch. Onkel Polter sah manchmal hinüber und glich einem Vater, der seinen Segen kaum noch zurückhalten kann.

Hagedorn schwieg. Frau Casparius beschrieb unterdessen die Zigarrenfabrik ihres Mannes. Sie erwähnte, der Vollständigkeit halber, daß Herr Casparius in Bremen geblieben sei, um sich dem Tabak und der Beaufsichtigung der beiden Kinder zu widmen.

»Darf ich auch einmal etwas sagen, gnädige Frau?«fragte der junge Mann bescheiden.

»Bitte sehr?«

»Haben Sie siamesische Katzen im Zimmer?«

Sie sah ihn besorgt an.

»Oder andere Tiere?«fragte er weiter.

Sie lachte.

»Das wollen wir nicht hoffen!«

»Ich meine Hunde oder Seelöwen. Oder Meerschweinchen. Oder Schmetterlinge.«

»Nein«, erwiderte sie.»Bedaure, Herr Doktor. In meinem Zimmer bin ich das einzige lebende Wesen. Wohnen Sie auch in der dritten Etage?«

»Nein«, sagte er.»Ich möchte nur wissen, weswegen sich in meinem Zimmer drei siamesische Katzen aufhalten.«

»Kann man die Tierchen einmal sehen?«fragte sie.»Ich liebe Katzen über alles. Sie sind so zärtlich und bleiben einem doch fremd. Es ist ein aufregend unverbindliches Verhältnis. Finden Sie nicht auch?«

»Ich habe wenig Erfahrung mit Katzen«, sagte er unvorsichtigerweise.

Sie machte veilchenblaue Augen und erklärte mit dichtverschleierter Stimme:

»Dann hüten Sie sich, lieber Doktor. Ich bin eine Katze.«

Glücklicherweise setzten sich Frau von Mallebré und Baron Keller an den Nebentisch. Und wenige Minuten später war der Tisch, an dem Hagedorn saß, rings von neugierigen Gästen und lauten Stimmen umgeben.

Frau Casparius beugte sich vor.

»Schrecklich, dieser Lärm! Kommen Sie! Zeigen Sie mir Ihre drei kleinen Katzen!«

Ihm war das Tempo neu.

»Ich glaube, sie schlafen schon«, sagte er.

»Wir werden sie nicht aufwecken«, sagte sie.»Wir werden ganz, ganz leise sein. Ich verspreche es Ihnen.«

Da kam der Kellner und überreichte ihm eine Karte. Auf dieser Karte stand:»Der Unterzeichnete, der zum Toblerkonzern Beziehungen hat, würde Herrn Doktor Hagedorn gern auf einige Minuten in der Bar sprechen. Kesselhuth.«

Der junge Mann stand auf.»Seien Sie mir nicht böse, gnädige Frau«, sagte er.»Mich will jemand sprechen, der mir von größtem Nutzen sein kann. Das ist ein seltsames Hotel!«Nach diesen Worten und einer Verbeugung ging er.

Frau Casparius versah ihr schönes Gesicht mit einem diffusen Dauerlächeln.

Frau von Mallebré ließ sich nichts vormachen. Sie kniff vor Genugtuung in die Sessellehne. Da sie sich aber vergriff und den Ärmel des Barons erwischte, stöhnte Keller auf und sagte:

»Muß das sein, gnädige Frau?«

Herr Kesselhuth erinnerte zunächst daran, daß Hagedorn und er gemeinsam im Grandhotel eingetroffen wären, und gratulierte zu dem ersten Preis der Putzblank-Werke. Dann lud er den jungen Mann zu einem Genever ein.

Sie setzten sich in eine Ecke. Auf den Hockern vor der Theke saßen die Geschwister Marek mit Sullivan, dem indischen Kolonialoffizier, tranken Whisky und sprachen englisch.

Auf einem Sofa von äußerst geringem Fassungsvermögen kuschelte sich das Chemnitzer Ehepaar. Die übrigen Barbesucher hatten das Vergnügen, dem zärtlichen Zwiegespräch zuhören zu dürfen. Die sächsische Mundart eignet sich bekanntlich wie keine zweite zum Austausch lieblicher Gefühle.

Sogar Jonny, der Barmixer, verlor die Selbstbeherrschung. Er grinste übers ganze Gesicht. Schließlich bückte er sich und hackte, ohne Sinn und Verstand, im Eiskasten herum. Denn es geht nicht an, daß Hotelangestellte die Gäste auslachen.

»Wenn man unsre deutsche Sprache mit einem Gebäude vergleichen wollte«, meinte Hagedorn,»so könnte man sagen, in Sachsen habe es durchs Dach geregnet.«

Kesselhuth lächelte, bestellte noch zwei Genever und sagte:

»Ich will mich deutlich ausdrücken, Herr Doktor. Ich will Sie fragen, ob ich Ihnen behilflich sein kann. Entschuldigen Sie, bitte.«

»Ich bin nicht zimperlich«, antwortete der junge Mann.»Es wäre großartig, wenn Sie mir helfen würden. Ich kann's gebrauchen.«Er trank einen Schluck.»Das Zeug schmeckt gut. Ja, ich bin also seit Jahren stellungslos.

Der Direktor der Putzblank-Werke hat mir, als ich mich nach einem Posten erkundigte, gute Erholung in Bruckbeuren gewünscht. Wenn ich bloß wüßte, von welcher Anstrengung ich mich erholen soll! Arbeiten will ich, daß die Schwarte knackt!

Und ein bißchen Geld verdienen! Statt dessen helfe ich meiner Mutter ihre kleine Rente auffressen. Es ist scheußlich.«

Kesselhuth blickte ihn freundlich an.

»Der Toblerkonzern hat ja noch einige andere Fabriken außer den Putzblank-Werken«, meinte er.»Und nicht nur Fabriken. Sie sind Reklamefachmann?«

»Jawoll!«sagte Hagedorn.»Und keiner von den schlechtesten, wenn ich diese kühne Behauptung aufstellen darf.«

Herr Kesselhuth nickte.

»Sie dürfen!«

»Was halten Sie von folgendem?«fragte der junge Mann eifrig.»Ich könnte meiner Mutter noch heute abend eine zweite Karte schreiben. Daß ich unverletzt angekommen bin, habe ich ihr nämlich schon mitgeteilt. Sie könnte meine Arbeiten in einen kleinen Karton packen; und in spätestens drei Tagen sind Hagedorns Gesammelte Werke in Bruckbeuren. Verstehen Sie etwas von Reklame, Herr Kesselhuth?«

Johann schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.»Ich möchte mir die Arbeiten trotzdem ansehen, und dann gebe ich«, er verbesserte sich hastig,»dann schicke ich sie mit ein paar Zeilen an Geheimrat Tobler. Das wird das beste sein.«

Hagedorn setzte sich kerzengerade und wurde blaß.

»An wen wollen Sie den Kram schicken?«fragte er.

»An Geheimrat Tobler«, erklärte Kesselhuth.»Ich kenne ihn seit zwanzig Jahren!«

»Gut?«

»Ich bin täglich mit ihm zusammen.«

Der junge Mann vergaß vorübergehend, Atem zu holen.

»Das ist ein Tag«, sagte er dann,»um den Verstand zu verlieren. Sehr geehrter Herr, machen Sie, bitte, keine Witze mit mir. Jetzt wird's ernst. Geheimrat Tobler liest Ihre Briefe?«

»Er hält große Stücke auf mich«, erklärte Herr Kesselhuth stolz.

»Wenn er sich die Sachen ansieht, gefallen sie ihm bestimmt«, sagte der junge Mann.»In dieser Beziehung bin ich größenwahnsinnig. Das kostet nichts und erhält bei Laune.«Er stand auf.»Darf ich meiner Mutter rasch eine Eilkarte schicken? Sehe ich Sie dann noch?«

»Ich würde mich sehr freuen«, entgegnete Kesselhuth.»Grüßen Sie Ihre Frau Mutter unbekannterweise von mir.«

»Das ist eine patente Frau«, sagte Hagedorn und ging. An der Tür kehrte er noch einmal um.»Eine bescheidene Frage, Herr Kesselhuth. Haben Sie Katzen im Zimmer?«

»Ich habe nicht darauf geachtet«, meinte der andere.»Aber ich glaube kaum.«

Als Hagedorn die Halle durchquerte, lief er Frau Casparius in die Arme. Sie war in Nerz gehüllt und trug hohe pelzbesetzte Überschuhe. Neben ihr schritt, im Gehpelz, der Kunsthändler Lenz.

»Kommen Sie mit?«fragte die Bremerin.»Wir gehen ins Esplanade. Zwecks Reunion. Darf ich bekannt machen? Herr Doktor Hagedorn — Herr Lenz.«

Die Herren begrüßten sich.

»Kommen Sie mit, Herr Doktor!«sagte der dicke Lenz.»Unsere schöne Frau tanzt leidenschaftlich gern. Übrigens auch gern leidenschaftlich. Und ich eigne mich figürlich nicht besonders zum Anschmiegen. Ich bin zu konvex.«

»Entschuldigen Sie mich«, sagte der junge Mann.»Ich muß einen Brief schreiben.«

»Post kann man während des ganzen Tages erledigen«, meinte Frau Casparius.»Tanzen kann man nur abends.«

»Der Brief muß noch heute fort«, sagte Hagedorn bedauernd.»Leidige Geschäfte!«Dann entfernte er sich eiligst.

Frau von Mallebré, die ihn kommen sah, gab dem Baron einen Wink. Keller erhob sich, vertrat dem jungen Mann lächelnd den Weg, stellte sich vor und fragte:

»Darf ich Sie mit einer charmanten Frau bekannt machen?«

Hagedorn erwiderte ärgerlich:»Ich bitte darum«, und ließ die üblichen Zeremonien über sich ergehen. Keller setzte sich. Der junge Mann blieb ungeduldig stehen.

»Ich fürchte, wir halten Sie auf«, sagte Frau von Mallebré.

Sie sprach, auf Wirkung bedacht, eine Terz tiefer als sonst. Keller lächelte. Er kannte Frau von Mallebrés akustische Taktik.

»Es tut mir leid, Ihnen recht geben zu müssen«, meinte Hagedorn.»Post! Leidige Geschäfte!«

Die Mallebré schüttelte mißbilligend die schwarzen Wasserwellen.»Sie sind doch hier, um sich zu erholen.«

»Das ist ein Irrtum«, antwortete er.»Ich bin gekommen, weil ich, infolge eines gewonnenen Preisausschreibens, hergeschickt wurde.«

»Nehmen Sie Platz!«sagte die Mallebré.

Die Gäste an den Nebentischen blickten gespannt herüber.

»Sehr freundlich«, meinte Hagedorn.»Aber ich muß auf mein Zimmer. Guten Abend.«

Er ging.

Baron Keller lachte.

»Sie hätten nicht so rasch zu essen brauchen, gnä' Frau.«

Frau von Mallebré betrachtete ihr Gesicht im Spiegel der Puderdose, tupfte Puder auf ihre adlige Nase und sagte:

»Wir wollen's abwarten.«

Auf der Treppe traf Hagedorn Herrn Schulze.

»Ich friere wie ein Schneider«, sagte Schulze.»Ist Ihr Zimmer auch ungeheizt?«

»Aber nein«, meinte Hagedorn.»Wollen Sie sich bei mir einmal umschauen? Ich muß eine Karte nach Hause schreiben. Ich habe eben ein unglaubliches Erlebnis gehabt. Raten Sie! Nein, darauf kommt keiner. Also denken Sie an: ich habe eben mit einem Herrn gesprochen, der den ollen Tobler persönlich kennt! Der jeden Tag mit ihm zusammen ist! Was sagen Sie dazu?«

»Man sollte es nicht für möglich halten«, behauptete Schulze und folgte dem jungen Mann ins erste Stockwerk.

Hagedorn schaltete das elektrische Licht ein.

Schulze glaubte zu träumen. Er erblickte einen Salon, ein Schlafzimmer und ein gekacheltes Bad.»Was soll das denn heißen?«dachte er.»So viel besser ist ja nun seine Lösung des Preisausschreibens nicht, daß man mir die Bruchbude unterm Dach angedreht hat und ihm so 'ne Zimmerflucht.«

»Trinken Sie einen Schnaps?«fragte der junge Mann. Er schenkte französischen Kognak ein. Sie stießen an und sagten»Prost!«

Da klopfte es.

Hagedorn rief:»Herein!«

Es erschien das Zimmermädchen.

»Ich wollte nur fragen, ob der Herr Doktor schon schlafen gehen. Es ist wegen des Ziegelsteins.«

Hagedorn runzelte die Stirn.

»Weswegen?«

»Wegen des Ziegelsteins«, wiederholte das Mädchen.»Ich möchte ihn nicht zu früh ins Bett tun, damit er nicht auskühlt.«

»Verstehen Sie das?«fragte Hagedorn.

»Noch nicht ganz«, erwiderte Schulze. Und zu dem Mädchen sagte er:»Der Herr Doktor geht noch nicht schlafen. Bringen Sie Ihren Ziegelstein später!«

Das Mädchen ging.

Hagedorn sank verstört in einen Klubsessel.

»Haben Sie auch ein Zimmermädchen mit geheizten Ziegelsteinen?«

»Keineswegs«, meinte Schulze.»Französischen Kognak übrigens auch nicht.«Er grübelte.

»Auch keine siamesischen Katzen?«fragte der andere und zeigte auf ein Körbchen.

Schulze griff sich an die Stirn. Dann ging er in Kniebeuge und betrachtete die drei kleinen schlafenden Tiere. Dabei kippte er um und setzte sich auf den Perserteppich. Ein Kätzchen erwachte, reckte sich, stieg aus dem Korb und nahm auf Schulzes violetter Hose Platz.

Hagedorn schrieb die Karte an seine Mutter.

Schulze legte sich auf den Bauch und spielte mit der kleinen Katze. Dann wurde die zweite wach, schaute anfangs faul über den Rand des Korbes, kam dann aber nach längerer Überlegung ebenfalls auf den Teppich spaziert. Schulze hatte alle Hände voll zu tun.

Hagedorn sah flüchtig von seiner Karte hoch, lächelte und sagte:

»Vorsicht! Lassen Sie sich nicht kratzen!«

»Keine Sorge«, erklärte der Mann auf dem Teppich.»Ich verstehe mit so etwas umzugehen.«

Die zwei Katzen spielten auf dem älteren Herrn Hasehen. Wenn er sie festhielt, schnurrten sie vor Wonne.»Ich fühle mich wie zu Hause«, dachte er.

Und nachdem er das gedacht hatte, ging ihm ein großes Licht auf.

Als Hagedorn mit der Eilkarte zu Rande war, legte Schulze die zwei Katzen zu der dritten in den Korb zurück. Sie sahen ihn aus ihren schwarzmaskierten Augen fragend an und bewegten die Schwänze vergnügt hin und her.

»Ich besuche euch bald wieder«, sagte er.»Nun schlaft aber, wie sich das für so kleine artige Katzen gehört!«

Dann überredete er den jungen Mann, die Karte dem Stubenmädchen zur Besorgung anzuvertrauen.

»Ich bin Ihnen Revanche schuldig. Sie müssen sich mein Zimmer ansehen. Kommen Sie!«

Sie gaben dem Mädchen die Karte und stiegen in den Fahrstuhl.

»Der nette Herr, der den alten Tobler so gut kennt, heißt Kesselhuth«, erzählte Hagedorn.»Er kam gleichzeitig mit mir im Hotel an. Und vor einer Viertelstunde hat er mich gefragt, ob er mir beim Toblerkonzern behilflich sein soll. Halten Sie für möglich, daß er das überhaupt kann?«

»Warum schließlich nicht?«meinte Schulze.»Wenn er den ollen Tobler gut kennt, wird er's schon zuwege bringen.«

»Aber wie kommt ein fremder Mensch eigentlich dazu, mir helfen zu wollen?«

»Sie werden ihm sympathisch sein«, sagte Schulze.

Dem anderen schien diese Erklärung nicht zu genügen.»Wirke ich denn sympathisch?«fragte er erstaunt.

Schulze lächelte.»Außerordentlich sympathisch sogar!«

»Entschuldigen Sie«, meinte der junge Mann.

»Ist das Ihre persönliche Ansicht?«Er war richtig rot geworden.

Schulze erwiderte:»Es ist meine feste Überzeugung.«Nun war auch er verlegen.

»Fein«, sagte Hagedorn.»Mir geht's mit Ihnen ganz genauso.«

Sie schwiegen, bis sie im vierten Stock ausstiegen.

»Sie wohnen wohl auf dem Blitzableiter?«fragte der junge Mann, als der andere die Stufen betrat, die zur fünften Etage führten.

»Noch höher«, erklärte Schulze.

»Herr Kesselhuth will dem Tobler meine Arbeiten schicken«, berichtete Hagedorn.»Hoffentlich versteht der olle Millionär etwas von Reklame. Schrecklich, daß ich schon wieder davon anfange, was? Aber es geht mir nicht aus dem Kopf.

Da rennt man sich in Berlin seit Jahren die Hacken schief. Fast jeden Tag wird man irgendwo anders abgewiesen. Dann kutschiert man in die Alpen. Und kaum ist man dort, fragt einen ein wildfremder Herr, ob man im Toblerkonzern angestellt zu werden wünscht.«

»Ich werde die Daumen halten«, sagte der andere.

Sie schritten den schmalen Korridor entlang.

»Ich möchte, wenn ich wieder Geld verdiene, mit meiner Mutter eine größere Reise machen«, erklärte Hagedorn.»Vielleicht an die oberitalienischen Seen. Sie kennt nur Swinemünde und den Harz. Das ist für eine sechzigjährige Frau zu wenig, nicht?«

Das sei auch seine Meinung, entgegnete Schulze. Und während der junge Mann von den sieben gewonnenen Preisausschreiben und den damit verbundenen geographischen Erfahrungen erzählte, schloß der andere die Tür zu dem Dachstübchen auf. Er öffnete und machte Licht.

Hagedorn blieben Stockholm und die Schären im Halse stecken. Er starrte verständnislos in die elende Kammer. Nach längerer Zeit sagte er:

»Machen Sie keine Witze!«

»Treten Sie näher!«bat Schulze.»Setzen Sie sich, bitte, aufs Bett oder in die Waschschüssel! Was Ihnen lieber ist!«

Der andere klappte den Jackettkragen hoch und steckte die Hände in die Taschen.

»Kälte ist gesund«, meinte Schulze.»Schlimmstenfalls werde ich die Pantoffeln anbehalten, wenn ich schlafen gehe.«

Hagedorn blickte sich suchend um.»Nicht einmal ein Schrank ist da«, sagte er.»Können Sie sich das Ganze erklären? Mir gibt man ein feudales Appartement. Und Sie sperrt man in eine hundekalte Bodenkammer!«

»Es gibt eine einzige Erklärung«, behauptete Schulze.»Man hält Sie für einen andern! Irgendwer muß sich einen Scherz erlaubt haben. Vielleicht hat er verbreitet, Sie seien der Thronfolger von Albanien. Oder der Sohn eines Multimillionärs.«

Hagedorn zeigte den Glanz auf den Ellenbogen seines Anzuges und hielt einen Fuß hoch, um das biblische Alter seiner Schuhe darzulegen.

»Sehe ich so aus?«

»Gerade darum! Es gibt genug extravagante Personen unter denen, die sich Extravaganzen pekuniär leisten können.«

»Ich habe keinen Spleen«, sagte der junge Mann.»Ich bin kein Thronfolger und kein Millionär. Ich bin ein armes Luder. Meine Mutter war auf der Sparkasse, damit ich mir hier ein paar Glas Bier leisten kann.«

Er schlug wütend auf den Tisch.»So! Und jetzt gehe ich zu dem Hoteldirektor und erzähle ihm, daß man ihn veralbert hat und daß ich sofort hier oben, neben Ihnen, eine ungeheizte Hundehütte zu beziehen wünsche!«Er war schon an der Tür.

Tobler sah sein eigenes Abenteuer in Gefahr. Er hielt den andern am Jackett fest und zwang ihn auf den einzigen Stuhl.

»Lieber Hagedorn, machen Sie keine Dummheiten! Davon, daß Sie neben mir eine Eisbude beziehen, haben wir alle beide nichts. Seien Sie gescheit! Bleiben Sie der geheimnisvolle Unbekannte!

Behalten Sie Ihre Zimmer, damit ich weiß, wohin ich gehen soll, wenn mir's hier oben zu kalt wird! Lassen Sie sich in drei Teufels Namen eine Flasche Kognak nach der andern bringen und eine ganze Ziegelei ins Bett legen!

Was schadet es denn?«

»Schrecklich!«sagte der junge Mann.»Morgen früh kommt der Masseur.«

Schulze mußte lachen.»Massage ist gesund!«

»Ich weiß«, erwiderte Hagedorn.»Sie fördert die Durchblutung der Haut.«Er schlug sich vor die Stirn.»Und der Portier sammelt Briefmarken! Diese Mystifikation ist gewissenhaft durchdacht! Und ich Rindvieh bildete mir ein, die Leute hier seien von Natur aus nett.«Er warf das Kuvert mit den Briefmarken beleidigt auf den Tisch.

Schulze prüfte den Inhalt fachmännisch und steckte das Kuvert ein.

»Ich habe eine großartige Idee«, sagte Hagedorn.»Sie beziehen meine Zimmer, und ich werde hier wohnen. Wir erzählen dem Direktor, er habe sich geirrt. Der Thronfolger von Albanien seien Sie! Ist das gut?«

»Nein«, erwiderte Schulze.»Für einen Thronfolger bin ich zu alt.«

»Es gibt auch alte Thronfolger«, wandte der junge Mann ein.

»Und den Millionär glaubt man mir erst recht nicht!«sagte Schulze.»Stellen Sie sich das doch vor! Ich als Millionär! Lächerlich!«

»Sehr überzeugend würden Sie allerdings nicht wirken«, gab Hagedorn offen zu.»Aber ich will niemand anders sein!«

»Tun Sie's mir zuliebe«, bat Schulze.»Mir haben die drei kleinen Katzen so gut gefallen.«

Der junge Mann kratzte sich am Kopf.

»Also schön«, erklärte er.»Aber bevor wir abreisen, geben wir durch Anschlag am Schwarzen Brett bekannt, daß das Hotel von irgendeinem Spaßmacher hineingelegt worden ist. Ja?«

»Das eilt nicht«, sagte Schulze.»Bis auf weiteres bleiben Sie, bitte, ein Rätsel!«

 


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