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Vorlesung 6: Wortschatzerweiterung durch Bedeutungswandel (semantische Derivation)

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  2. Derewation bzw. Bedeutungswandel
  3. Erweiterung des Wortschatzes durch die Entlehnung
  4. Vorlesung 1: Lexikologie als sprachwissenschaftliche Disziplin. Das Wort und seine Bedeutung.
  5. Vorlesung 2: Polysemie und Homonymie
  6. Vorlesung 3: Bedeutungsbeziehungen im lexikalisch-semantischen System
  7. Vorlesung 4: Der deutsche Wortbestand aus soziolinguistischer Sicht. Regionale Verteilung des Wortbestandes
  8. Vorlesung 5: Die Wortbildung als der wichtigste Weg der Wortschatzerweiterung
  9. Vorlesung 8: Phraseologie

1. Definition des Bedeutungswandels

 

Unter Bedeutungswandel (изменение значения) bzw. semantischer Derivation [1] versteht man die Bedeutungsveränderung der Wörter im Laufe der Zeit, bedingt durch das Wesen und Charakter der Sprache als gesellschaftlicher Erscheinung (Под семантической деривацией понимается изменение значений слов в ходе времени, обусловленное сущностью и характером языка как общественного явления). Man unterscheidet grundsätzlich den innovativen und reduktiven Bedeutungswandel. Bei dem innovativen Bedeutungswandel entwickelt sich beim Wort ein neues Semem, bei dem reduktiven Bedeutungswandel büßt das Wort eines seiner Sememe ein. Der Bedeutungswandel ist eine Erscheinung der diachronen Semantik und hat einen prozessualen Charakter. Der Bedeutungswandel ist nicht unmittelbar zu beobachten, sondern kann nur aus veränderten Ditributionen und Kollokationen (semantische Kongruenz oder Verträglichkeit von Wörtern) erschlossen werden. Die Formative bleiben unverändert, die entsprechenden Sememe dagegen verändern sich nach Anzahl, Anordnung und Qualität. Der Bedeutungswandel wird an veränderten Gebrauchsweise registriert, an solchen, die als neu empfunden werden, oder solchen, die einer Generation schon nicht mehr bekannt sind. Der innovative Bedeutungswandel und die Polysemie sind aufs engste miteinander verbunden: die Polysemie ist ein synchrones Ergebnis des innovativen Bedeutungswandels (der semantischen Derivation). Probleme des Bedeutungswandels hängen mit der linguistischen Neologie und Neologismenforschung zusammen, denn jedes Resultat der semantischen Derivation ist in einer bestimmten Sprachperiode eine Neubedeutung (ein Neusemem, ein semantischer Neologismus, ein Neosemantismus) ist. Aus jedem innovativen Bedeutungswandel ergeben sich zwei Arten der qualitativen Wortschatzentwicklung: Polysemie und Synonymie. Vgl.: Das eindeutige Verb blicken erhielt infolge des Bedeutungswandels Anfang der 90er Jahre des vorigen Jhs. eine Neubedeutung "etwas kapieren, verstehen": jemand blickt etwas (A): er blickt das nicht, du blickst gar nichts! jemand blickt, dass [...]: Wann blickst du endlich, dass […]? Der innovative Bedeutungswandel führt das Verb in die Kategorie der polysemen Wörter über. Andererseits erweitert sich die synonymische Reihe der Verstehensverben durch ein neues Synonym: auffassen – begreifen – einsehen – kapieren – nachvollziehen – verstehen – blicken. Von der Neubedeutung als einem Resultat des innovativen Bedeutungswandels sind andere diverse Neuerungen in der semantischen Struktur der Lexems zu unterscheiden. Dazu zählen z.B. Valenzwandel, Frequenzzunahme oder -abnahme von Bedeutungen, Bedeutungsdominanz (Sch**ungen bei polysemen Lexemen), Konnotation und Bewertung (Pejorisierung / пейоризация, приобретение уничижительной эмоциональной оценки / oder Meliorisierung / мелиорация, приобретение положительной эмоциональной оценки / der Bedeutung).

 

2. Die Wege der Bedeutungsveränderung

 

Der Bedeutungswandel entsteht durch die Verwendung vorhandener sprachlicher Zeichen für neue oder veränderte Denotate. Tradtionell unterscheidet man drei Wege der Bedeutungsentwicklung: 1. Bezeichnungsübertragung (перенос наименования), 2. Beibehaltung des Formativs bei verändertem Denotat (сохранение форматива при изменении денотата), 3. Bedeutungsentlehnung (заимствование значения). Bei der Bezeichnungübertragung wird ein Wort aus seinem ursprünglichen Bereich auf neue, andere Erscheinungen übertragen. Dabei bestehen zwischen der alten und neuen Bedeutung gedankliche Beziehungen und/oder Assoziationen, die in gemeinsamen Semen ihren Niederschlag finden (находят свое выражение, воплощение). Bei surfen (1. заниматься сёрфингом, скользить по гребню волны прибоя на специальной доске без креплений 2. находиться в сети, искать информацию, заходя на различные Интернет-страницы) ist es das Merkmal (Sem) " Bewegung in einem bestimmten Milieu ", bei Adresse (1. данные от местожительстве или местонахождении 2. адрес электронной почты 3. Интернет - адрес) ist es das funktionale Merkmal "Bestimmung und Ermittlung der Präsenz bzw. der Erreichbarkeit". Die Beibehaltung des Formativs bei verändertem Denotat geschieht beim Sachwandel infolge des materiell-technischen Forschritts. So bezeichnete das Wort Feder in der Bedeutung "Schreibgerät" ursprünglich Gänsefeder und erst dann Stahlfeder. Dasselbe gilt für die Wörter Bleistift (ist nicht mehr aus Blei), Scheibe (Fensterscheibe ist nicht mehr rund), Platte (keine Schallplatte, sondern nun meist eine CD-Platte). Wir benutzen diese Wörter weiterhin, weil das Merkmal der Funktion das alte Denotat und das neue veränderte Denotat verbindet. Durch Bedeutungsentlehnung übernimmt ein Wort eine Neubedeutung aus einer fremden Sprache. Dabei muss das deutsche Wort in der Regel entweder über eine bestimmte lautliche Ähnlichkeit, oder über eine mit dem fremdsprachlichen Äquivalent übereinstimmende lexikalisch-semantische Variante, oder über beides verfügen. So z.B. das Verb rocken mit der Hauptbedeutung "Rockmusik machen" wird seit Ende der 90er Jahr des 20. Jhs. in der Neubedeutung "das Publikum mit einer kulturellen Darbietung (vor vollem Haus) begeistern" gebraucht. Diese neue Bedeutung von rocken ist unter englischem Einfluss entstanden, d.h., sie ist eine Lehnbedeutung (vgl. die entsprechende Bedeutung von engl. to rock). Manche Lexikologen sondern noch einen weiteren Weg der Bedeutungsveränderung aus, der meist für germanische Sprachen charakteristisch ist. Dieser Weg trägt den Namen "lexikalische Ellipse" oder "semantische Dekompostion" und ist meist für Nomina (Substantive) typisch. Die neue Bedeutung des Nomens kommt durch die Kürzung des Determinativkompositums auf seinen ersten oder zweiten Bestandteil zustande. Das Ergebnis dieser Kürzung kann dabei ein in metaphorischer, metonymischer oder anderer semantischer Beziehung zur ursprünglichen Bedeutung stehendes Semem sein. Z.B.: Plattenbau > Platte, Sendeformat > Format, Spielkonsole > Konsole, Internetseite > Seite, Mausklick > Klick.

 

3. Die Ursachen und Bedingungen des Bedeutungswandels

 

Bedeutungswandel beginnt mit Veränderungen des Sprachgebrauchs. Daher liegen die Ursachen der Bedeutungswandels in den Anlässen und Notwendigkeiten veränderter Wortverwendung. Anders gesagt, sind die Triebkräfte (движущие силы) des Bedeutungswandels immer in den Anlässen (поводах) und Bedürfnissen (потребностях) sprachlichen Handelns (языковой деятельности) unter bestimmten wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen Bedingungen zu suchen. Im sprachlichen Handeln werden die Lexeme nicht nur schlechthin (лишь, просто) ausgewählt und aktualisiert, sondern auch in neue sprachliche Zusammenhänge gebracht. Sprachliches Handeln ist ständiges Neuverwenden und kann zu Anderswerden der Wörter führen.

 

Die Ursachen der Bedeutungswandels können außersprachlich (extralinguistisch) und sprachlich (intraliguistisch) sein. Die allerwichtigste Ursache jedes Bedeutungswandels liegt in der Divergenz zwischen begrenzter Wortzahl und Unendlichkeit der Erscheinungen der objektiven Realität. Unter den wichtigen Ursachen sind folgende zu erwähnen:

 

1. Bedarf an Erstbenennungen für neue Denotate. Bei Erfindungen und Entdeckungen entstehen Nominationsbedürfnisse, die neben Wortbildung und Entlehnung durch Bezeichnungsübertragungen befriedigt werden können. Zunächst wird eine lexikalische Einheit okkasionell (окказионально, случайно) als Benennung für das neue Denotat benutzt. Man empfindet sie als neu und eventuell akzeptiert sie. Schließlich wird diese neue Verwendung usuell (узуальный, общепринятый, обычный) und das Lexem erweitert seine semantische Struktur durch eine Neubedeutung.

 

2. Denotatsveränderung und Beibehaltung der Benennung. Die Bedeutung erfasst Dinge und Sachverhalte nicht total, sondern im Hinblick auf die kommunikativ und kognitiv relevanten Merkmale. Diese Merkmale können sich ändern, aber die Zuordnung zu einem Formativ bleibt erhalten. Die Beibehaltung der Funktion sichert die kommunikative Verwendbarkeit auch bei Demotivierung. Vgl.: Brille war ursprünglich eine Augenlinse aus geschliffenem Beryll (Mineral). Obwohl die Brillen nun nicht mehr aus Beryll, sondern aus Glas hergestellt werden, sagt man nach wie vor Brille.

 

3. Entwicklung kognitiver Bedürfnisse. Wenn die sprachliche Gesellschaft die schon bekannten Objekte und Sachverhalte unter anderem Blickwinkel oder genauer sieht, so werden neue Begriffe gebildet, die eine neue sprachliche Bezeichnung brauchen. So erfäht das alltagssprachliche Wortgut einen Bedeutungswandel. Vgl.: auskernen ' полностью перестраивать и модернизировать в плане интерьера здание, помещение ' (den Altbau /den Palast /das Hotel völlig /bis auf die Fassade auskernen).

 

4. Kommunikativ-pragmatische Tätigkeit und ihre Auswirkungen auf das lexikalisch-semantische System. Die Normen des Sprachgebrauchs sind durch den Charakter der sozialen Beziehungen zwischen den Menschen bestimmt und wirken auf sie zurück (отражаться, оказывать обратное воздействие). In diesem Bezugsrahmen (в соответствии с этим) verändern sich auch die sprachlichen Möglichkeiten des kommunikativen Kontakts und der Asudrucksweise. Man unterscheidet verschiedene kommunikativ-pragmatische Absichten: a) das Streben nach Ausdrucksverstärkung (усиление выразительности), der Affekt, die Emphase (эмфаза, выразительность, выделение в речи отдельных элементов и смысловых оттенков высказывания), b) das Streben nach Ausdrucksabschwächung (ослабление выразительности), der Euphemismus (эвфемизм, замена грубых, резких, низких, запретных выражений) (korpulent – "**", hinters Licht führen – "betrügen", angeheitert – "betrunken"), c) das Streben nach kommunikativer Deutlichkeit, d) das Streben nach Sprachökonomie, sprachlicher Konservatismus (Konsole < Spielkonsole), e) Höflichkeit und Rücksichtnahme (тактичность, внимательное предупредительное отношение) (in anderen Umständen sein – "schwanger sein", ein Verhältnis haben – "uneheliche Liebenbeziehung haben"), f) Scherz, Ironie, Zuspitzung (обострение, заострение) (feiner Herr, nette Geschichte, schöne Bescherung), g) das Streben nach Sozialprestige (Reinigungskraft, Seniorenheim) etc. Diese Absichten können dazu führen, dass ein Lexem bewusst oder auch unbewusst in andere sprachliche Zusammenhänge gebracht wird und somit mit einem neuen Inhalt verbunden wird.

 

5. Der Sprachgebrauch bedeutender Persönlichkeiten. Der Sprachgebrauch öffentlich wirkender Persönlichkeit wird usuell und beeinflusst so das Bedeutungssystem. Unter dem Einfluss von M.Luther haben zahlreiche deutsche Wörter ihre Bedeutung verändert, z.B. Beruf (früher: Ruf, Berufung), Buße, Glaube, Sünde, fromm, gerecht.

 

6. Wechselbeziehungen Fachwortschatz – Allgemeinwortschatz (und umgekehrt). Darunter werden Übergänge des Wortes aus der Allgemeinsprache in die Gruppensprache oder aus der Fachlexik oder Gruppenlexik in die Allgemeinsprache. Oftmals ist die Aufnahme eines Fachwortes in die Gemeinsprache mit Entterminologisierung oder mit der Übertragung in andere Fachbereiche verbunden. So werden Lexeme Kettenreaktion, Störfall, Altlast metaphorisch aus dem Bereich der Kernenergie auf politische und auch alltägliche Sachverhalte übertragen. Es erfolgt ein Bedeutungswandel und die Fachwörter verlieren ihren terminologischen Charakter. Andererseits werden viele gemeinsprachliche Wörter durch den Bedeutungswandel zu Termini (Virus "Computervirus", Datenautobahn, Maus, Netz).

 

 

7. Wirkung der Analogie mit semantischen Übergängen konkret – abstrakt, physisch – psychisch/ moralisch ("sehen – denken"), Mensch – Gegenstand, Tier – Mensch, Natur – Mensch. Auch kann der Bedeutungswandel bei einem Lexem zum Bedeutungswandel semantisch vernetzer Einheiten führen. So werden z.B. viele Lexeme aus dem Wetter- und Klimabereich metaphorisch für zwischenmenschliche Beziehungen gebraucht.

 

Jeder Bedeutungswandel durchläuft folgende Stufen: bewusst oder auch unbewusste individuelle Abweichung von der Norm der Verwendung (kann natürlich auch institutionell bedingt sein) – Aufnahme in die Sprachgemeinschaft in Sinne einer Abweichung von der Norm (häufig erst durch bestimmte, meist sozial determinierte Gruppen) – Gebrauchshäufigkeit und Festigung dieser Neuerung nehmen zu – Inkorporierung in das System – Auswirkung auf die Systemgliederung.

 

4. Die Arten des Bedeutungswandels

 

Die Arten des Bedeutungswandels werder aus psychologischer und logischer Sicht analysiert. Die psychologische Gliederung basiert auf Assoziationen. Ihre theoretische Grundlage bilden psychologische Arbeiten von Wilhelm Wundt (Erkenntnistheorie, kognitive Psychologie). Der Verfechter des psychologischen Ansatzes war Hermann Paul. So kann man im Rahmen des Bedeutungswandels zwei psychologisch bedingte Prozesse betrachten: Bedeutungsverbesserung (Wertsteigerung, semantische Melioration): Marschall (eigentlich "Stallknecht"), Minister (eigentlich "der geringere, Dienter") und Bedeutungsverschlechterung (Wertminderung, semantische Pejoration): gemein (früher "zusammengehörig", jetzt "niederträchtig"), Dirne (früher "Dienerin", jetzt "käufliches Mädchen"). Die psychologische Klassifikation wurde in den Arbeiten von Hans Sperber und Heinz Kronasser schöpferisch umgearbeitet.

 

Ein jüngeres Beipsiel der Bedeutungsverbesserung im Sinne von H.Paul ist das Lexem Luder mit der Hauptbedeutung " durchtriebener, gemeiner Mensch, gewissenlose (weibliche) Person" (Schimpfwort стерва). Seit Ende der 90er Jahre des 20. Jhs. funktioniert das Wort in der neuen Bedeutung "junge attraktive, sexuell offensive Frau, die alles daransetzt, mit Unterstützung der Medien die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen". "Das Wort Luder kann auf eine erstaunliche Begriffskarriere in den 1990er Jahren zurückblicken, als die Gazetten plötzlich einen neuen Typus Frau entdeckten, der mit Hilfe unkonventioneller Methoden die Aufmerksamkeit prominenter Personen sucht" [Lexikon der bedrohten Wörter. Rowohlt, 2005, S. 124]

 

Die logische Klassifikation des Bedeutungwandels erwuchs gegen Ende des 19. Jhs. der alten rhetorischen Gliederung und beruht auf dem quantitativen Vergleich des Bedeutungsumfangs vor und nach dem Bedeutunswandel (St. Ullmann). Die neue Bedeutung kann nach dem Prozess des Bedeutungswandels in ihrem Umfang größer als die vorhergehende Bedeutung, kleiner als die vorhergehende Bedeutung oder ihr gleich sein. Daher unterscheidet man in der logischen Klassifikation drei Arten des Bedeutungswandels: 1. Bedeutungserweiterung, 2. Bedeutungsverengung und 3. Bedeutungsübertragung und –verschiebung.

 

Die Bedeutungserweiterung (Generalisierung der Bedeutung, semantische Expansion, расширение значения, генерализация значения) ist das Resultat der Entwicklung des semantischen Umfangs des Wortes von Einzelnen und Konkreten zum Allgemeinen und Abstrakten. Die alte engere Bedeutung dehnt sich auf neue Gegenstände, Prozesse und Sachverhalte aus. Die Erweiterung der Bedeutung begleitet oft den Übergang der Lexeme aus einem fachsprachlichen Bereich in die Allgemeinsprache. Das Adjektiv fertig ist genetisch mit dem Verb fahren und dem Substantiv Fahrt verbunden, daher die ursprüngliche engere Bedeutung "zur Fahrt bereit", jetzt aber bezeichnet das Wort jegliche Bereitschaft in allgemeinen Sinne. Das Substantiv Öl bezeichnete ursprünglich nur das Olivenöl, jetzt aber verschiedene andere Wortarten.

 

Die Bedeutungsverengung (Spezialisierung der Bedeutung, semantische Reduktion, сужение значения, специализация значения) ist das Ergebnis der semantischen Entwicklung eines Wortes vom Allgemeinen, Abstrakten zum Einzelnen, Konkreten. Die Bedeutung des Wortes verengt sich, und das Wort beginnt einen engeren Einzelbegriff auszudrücken. Die Verengung des Bedeutungsumfangs führt zu der Begrenztheit der Gebrauchssphäre. So ist das Wort Kunst genetisch mit dem Verb können verwandt und bezeichnet ursprünglich jede Art des Könnens, jetzt aber nur die schöne Kunst. Das Wort Hochzeit bezeichnete früher ein Fest im allgemeinen und ist erst allmählich auf das Fest der Vermählung beschränkt worden.

 

Bei der Bedeutungsübertragung werden neue Denotate mit bereits vorhandenen Formativen aufgrund einer Ähnlichkeit oder Assoziation benannt. Genauer gesagt geht es in diesem Fall um Bezeichnungsübertragung. Die Hauptarten der Bedeutungsübertragung sind Metapher und Metonymie sowie auch Euphemismus.

 

Die Metapher ist die Übertragung der Namensbezeichnung aufgrund einer äußeren und inneren Ähnlichkeit. Die Metapher ist ein Prozess (Metaphorisierung) und das Resultat der Bezeichnungsübertragung. Funktional gesehen können die Metaphern eine benennende (nominative) Funktion erfüllen (abstürzen, anklopfen) und eine wertende expressive Funktion (etikettieren, bunkern). Je nach dem Anwendungsbereich unterscheidet man lexikalische sprachliche und stilistische poetische Metaphern. Viele Metaphern stellen eine Übertragung vom Konkreten zum Abstrakten, so sind z.B. viele Verben des Denkens und Fühlens metaphorisch aus dem Bereich manueller und physicher Tätigkeit gewonnen (begreifen, erfassen, erwägen). Eine besondere Art der Metapher ist die Personifizierung (die Uhr geht, der Wind erhebt sich). Eine andere Sonderart der Metapher ist die Synästhesie, d.h. die Übertragung von einem Sinnesbereich auf einen anderen, z.B. von optischer zu akustischer Wahrnehmung (helle Töne, dunkles Geräusch).

 

Die Metonymie ist eine Art Bezeichnungsübertragung aufgrund mannigfaltiger logischer Beziehungen. Diese sind räumlicher, zeitlicher, ursächlicher (kausaler) Art sein, Beziehungen zwischen Handlung und ihrem Resultat, Subjekt der Handlung, Mittel und Werkzeug der Handlung, Raum (Behälter) und Inhalt (Übersetzung als Prozess und Resultat der Handlung). Eine verbreitete Sonderart der Metonymie ist die Synekdoche, die Namensübertragung zwischen dem Ganzen und dessen Teil.

 

Unter dem Euphemismus versteht man eine verhüllende, beschönigende, mildernde Umschreibung für ein anstößiges oder unangenehmes Wort. Je nach der Herkunft und der kommunikativ.pragmatischer Intention unterscheidet man vier Arten von Euphemismen: religiöse Euphemismen (der Allmächtige, der Henker), sozial-moralische Euphemismen (Einschläferung statt Tötung), gesellschaftlich-ästhetische Euphemismen (Entsorgungspark statt Mülldeponie), politische Euphemismen (Kollateralschaden statt zivile Kriegstote).

 

 

[1] Собственно говоря, семантическая деривация – этот лишь один из вариантов изменения значения слова и развития его семантической структуры, а именно " innovativer Bedeutungswandel " – инновативное развитие семантической структуы

Vorlesung 7: Wortschatzerweiterung durch Übernahme fremden Wortgutes aus anderen Sprachen: Entlehnung

1. Der Begriff der Entlehnung. Arten und Formen der Entlehnung.

 

Unter Entlehnung versteht man in der einschlägigen Literatur den Entlehnungsvorgang, d.h. die Übernahme fremden Sprachgutes sowie das Ergebnis dieses Prozesses – das entlehnte fremde Sprachgut selbst. Nach der Art der Entlehnung werden 1) Sach- und Wortentlehnung und 2) Wortentlehnung abgegrenzt. Bei der Sach- und Wortentlehnung werden aus der Fremdsprache fremde Formative übernommen, deren Denotate (Gegenstände, Erscheinungen) in der entlehnenden Sprache neu oder unbekannt sind (Camping, Popcorn, Fax). Bei Wortentlehnungen werden fremdsprachliche Formative übernommen, deren Denotate in der entlehnenden Sprache bereits durch eigene Wörter ausgedrückt sind. Hier geht es um die Üvernahme von Dubletten, die sich früh oder spät inhaltlich oder stilistisch differenzieren (Drink – Getränk, Job – Arbeit, Manager – Leiter).

 

Nach der Entlehnungsform sind zu unterscheiden:

 

1) Fremdwortübernahme (заимствование иноязычного слова) – formale, direkte Entlehnung. Fremde Formative werden in die entlehnende Sprache mit minimaler Abänderung übernommen (Datscha, Sputnik).

 

2) Lehnprägung (осложненное заимствование), d.h. Nachbildung (моделирование, подражание, подделка) des fremdsprachlichen Inhalts mit vorhandenen Mitteln der eigenen Sprache.

 

а) Lehnübersetzung / strukturelle Entlehnung (калькирование), d.h. eine Nachbildung der Morphemstruktur von Fremdwörtern oder fremden Wortgruppen. Es erfolgt eine Glied-für-Glied-Übersetzung (Fünfjahrplan, Held der Arbeit, Hörbuch – Audiobook, Autoteilen – Carjacking).

 

b) Lehnübertragung (переложение), d.h. eine freiere Wiedergabe der Morphemstruktur des fremden Wortes (отличник – Bestarbeiter, Beststudent, Bestschüler, lat. patria (=Väter) – Vaterland).

 

c) Lehnbedeutung (семантическое калькирование, заимствование значения) ist die Zuordnung einer fremdsprachlichen Bedeutung zu einem deutschen Formativ (abhängen – to hang out, brennen – to burn).

 

2. Wege der Übernahme.

 

Der Hauptweg der Übernahme in germanischer Zeit und im Mittelalter war der direkte Kontakt (auf mündlichem Weg) zwischen den Sprachträgern. Sprachliche Kontakten kamen in den Grenzzonen durch Handel und Reisen zu Stande. Später wirkte stärker die literarische Entlehnung auf schriftlichem Wege. Mündliche Entlehnungen unterscheiden sich stärker vom Ursprungswort als die schriftlichen (хрусталь – Kristall). Außerdem unterscheidet man zwischen direkter und vermittelter (indirekter) Entlehnung. Direkte Entlehnung erfolgt auf dem Weg der Sachentlehnung, der literarischen und kontaktiven Übernahme. Wenn die Entlehnung über ein drittes Land (страна - посредник) erfolgt, so spricht man von der indirekten Entlehnung. Wenn ein deutsches Wort in eine andere Sprache in der frühesten Zeit übernommen wurde und später ins Deutsche zurückkommt, bezeichnet man diesen Weg als Rückentlehnung (Salon – Saal, Balkon – Balken).

 

3. Linguistische Ursachen der Entlehnung.

 

Sie ergeben sich aus dem Wechselverhältnis der kontaktierenden Sprachen.

 

a) der jeweilige Entwicklungsstand des semantischen Systems einer entlehnenden Sprache. Durch zahlreiche romanische Entlehnungen wurden thematische Reihen, thematische Gruppen bzw. lexisch-semantische Gruppen der deutschen Sprache aufgefüllt. So wurde die thematische Gruppe der Farbbezeichnungen durch Entlehnungen aus dem Fronzösischen erweitert: lila, beige, orange, violett, azurn.

 

b) die Auffüllung thematischer Reihen und lexisch-semantischer Gruppen durch Entlehnungen expressiver Synonyme aus anderen Sprachen: kapieren (lat.) zu „begreifen“, „verstehen“, krepieren (ital.) zu „sterben“, „verrecken“; Visage (franz.) zu „Gesicht“.

 

c) der Bedarf an euphemistischer Lexik. Das lexikalisch-semantische System des Deutschen verfügt über eine bedeutende Anzahl von etischen und sittlichen Euphemismen fremden Ursprungs: korpulent (lat) für „**“; renomieren (franz) für „prahlen“.

 

d) die Entlehnungen von Fremdwörtern zur terminologischen Verwendung. Entlehnungen dieser Art monosemieren das entlehnte Wort, d.h es wird nur eine lexisch- semantische Variante des Lexems entlehnt.

 

e) Entlehnungen können gleich Stammwörtern zur Neutralisierung einer übermäßigen Polysemie beitragen oder zum Schwund entbehrlicher Homonyme. So hat das entlehnte Wort Insel (lat. insula) die ensprechende Bedeutung aus polysemen Wörtern Au, Wert, Werder vedrängt.“

 

4. Elemente der Systemhaftigkeit in der Wechselbeziehungen zwischen Stammwörtern und Entlehnungen

 

Probleme der Wechselbeziehungen zwischen Stammwörtern und Entlehnungen gehören zu den neuen Aspekten der Wortforschung. Das Zusammenwirken des lexikalisch-semantischen Systems der entlehnenden Sprache und der entlehnten Lexik beginnt schon beim Entlehnungsvorgang selbst. Der jeweilige Zustand des Systems setzt potenzielle Entlehnungen voraus. So war es mit der Auffüllung der Thematischen Reihe von Farbbezeichnungen aus dem Französischen. Das System der entlehnenden Sprache bestimmt ebenfalls eine auf verschiedenen Entwicklungsstufen des deutschen Wortbestandes belegte Regelmäßigkeiten:

 

1. Bei Einführung der Entlehnungen in ein neues lexikalisch-semantisches System wird die semantische Struktur der Fremdwörter nur teilweise entlehnt. Die semantische Struktur oder das Bedeutungsgefüge der Fremdwörter wird reduziert: z. B.: Komödie – Lustspiel.

 

2. In einem neuen lexikalisch-semantischen System zeigen Fremdwörter eine Tendenz zur Erweiterung ihrer semantischen Struktur.

 

3. Die Entwicklung der semantischen Selbstständigkeit einer Entlehnung ist entscheidend für ihre Einbürgerung in ein neues System.

 

Unter der semantischen Selbstständigkeit einer Entlehnung wird die Aufhebung der Dubletten-Bezeihung in den synonymischen Paaren Fremdwort –Stammwort verstanden. Die semantische Selbstständigkeit manifistiert die Tatsache, daß das betreffende Fremdwort im lexikalisch-semantischen System seinen Platz einnimmt. Es wird zu einem notwendigen Lexem: Job – Arbeit.

 

4. Alle anderen Abwandlungen und Prozesse, denen Entlehnungen beim Funktionieren in einem neuen lexikalisch-semantischen System unterliegen, sind sekundäre Folge der semantischen Selbständigkeit: formelle Assimilation, wortbildende Produktivität, Geläufigkeit, regelmäßiger Gebrauch.

 

5. Die Wortschatzbereicherung durch die Entlehnung besteht nicht nur in der quantitativen Erweiterung des Wortbestandes, bei der Wörter entlehnt werden, die neue Gegenstände und Erscheinungen bezeichnen. Die Bereicherung des Wortbestandes offenbart sich auch darin, daß das Lehngut Ausdrucks möglichkeiten der entlehnenden Sprache durch begriffliche und funktional – stilistische Differenzierungen erweitert, die Fremdwörter in den betreffenden shematischen Reihen (oder synonymischen) bewirken: Zeitung – Gasette (abwertende Bedeutung), Strauß – Bukett (gehoben).


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