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450 000 Zuschauer

John F. Kennedy bei der

Rede vor dem Rathaus

„Ish bin ein Bearleener“

Es ist nur ein Satz, aber er euphorisiert die Menschen.

Vor 50 Jahren solidarisiert sich der amerikanische Präsident

John F. Kennedy in einer Rede mit den Menschen im geteilten Berlin –

und nennt sich selbst einen Berliner.

Es ist ein warmer Tag mit viel Wind, dieser 26. Juni 1963. Vor dem Rathaus in Berlin-Schöneberg stehen gegen 13 Uhr rund 450 000 Westberliner. Und vor ihnen steht der mächtigste Mann der Welt. Sein Name: John F. Kennedy.

Der amerikanische Präsident ist für acht Stunden zu Besuch in Westberlin. Er sagt an diesem Tag die wahrscheinlich populärsten Worte nach dem Zweiten Weltkrieg: „Vor 2000 Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: ‚Ich bin ein Bürger Roms!’ Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: ‚Ich bin ein Berliner!’“

„Ich bin ein Bürger Roms“ sagt er auf Latein. „Ich bin ein Berliner“ auf Deutsch. Weil er kein Deutsch spricht, den Satz aber trotzdem richtig aussprechen will, hat er sich auf einem Zettel in englischer Schreibweise die Aussprache notiert: „ Ish bin ein Bearleener.

“ Es ist eine Rede gegen den Kommunismus – und für die Einheit Deutschlands. Berlin ist geteilt, so wie ganz Deutschland. Durch die frühere deutsche Hauptstadt geht eine Grenze: Ostberlin gehört zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR), um Westberlin herum ist auch die DDR.

Seit zwei Jahren blockiert eine Mauer die Grenze. Kennedy wollte nicht, dass sie gebaut wird. Aber er hat auch nichts dagegen getan.

Die Berliner sind deshalb enttäuscht – von den Amerikanern, auch von deren Präsidenten. Auch deshalb ist Kennedy in Deutschland zu Besuch. Außerdem, weil er nicht will, dass Deutschland und Frankreich eine zu enge Allianz ohne die USA haben. Wenige Monate vorher haben Konrad Adenauer und Charles de Gaulle nämlich den berühmten Elyse-Vertrag unterschrieben.

52 Kilometer fährt Kennedy an diesem Tag durch Westberlin, in einer offenen, dunkelblauen Lincoln- Limousine. Die haben die Berliner extra aus Washington geholt. So kann sich Kennedy gut zeigen, zusammen mit dem sozialdemokratischen Bürgermeister Willy Brandt und dem konservativen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Zeigen will er sich auch der DDR, die von der Sowjetunion besetzt ist.

Die Fahrt geht zum Brandenburger Tor, zur Mauer. Der Osten hat den Blick durch das Tor verhängt, mit roten Tüchern und einem Plakat.

Dann geht es zum Checkpoint Charlie. Dort können Ausländer über die Grenze in die DDR reisen. Kennedy schaut in den Osten. Zeugen sagen, dass ein paar Ostberliner winken. Kennedy soll dort trotzdem nach einiger Zeit gesagt haben: „Es sieht tot aus.

“Der Präsident besucht noch die Freie Universität, dann geht es zum Rathaus Schöneberg. An seinem Weg stehen mehr als 1,5 Millionen Menschen, sie rufen „Ken-nedy“. Aus alten Telefonbüchern haben manche Konfetti gemacht, andere werfen Blumen. Kinder müssen nicht in die Schule, die Erwachsenen nur bis zum Mittag arbeiten.

Kennedys Rede ist dann in weiten Teilen nicht die, die er aufgeschrieben hat. Die Rede wird immer wieder ins Deutsche übersetzt. Seine politischen Berater sagen nachher, dass er zu weit gegangen ist. In ihren Augen hat er zu sehr gegen die Sowjetunion gesprochen. Aber die Westberliner lieben ihn dafür. Es ist „die erfolgreichste Politikinszenierung des Kalten Krieges“, schreibt die deutsche Zeitung taz 40 Jahre danach.

Als Kennedy um 17.45 Uhr in sein Flugzeug steigt, die Airforce One, spielt ein Orchester „Das ist die Berliner Luft“, ein populäres Lied sagt, dass er dem nächsten Präsidenten einen Tipp geben will für schlechte Zeiten: „Go to Germany – fahre nach Deutschland“. Nur fünf Monate später ist John F. Kennedy tot. Er wird in Dallas in einem offenen Wagen erschossen. Die Berliner geben dem Platz, an dem er gesprochen hat, seinen Namen.

Und Kennedys Witwe Jacqueline schreibt an Willy Brandt: „Es ist eigentümlich – manchmal denke ich, dass die Worte meines Mannes, an die man sich am längsten erinnern wird, jene waren, die er nicht in seiner eigenen Sprache ausgedrückt hat.“

Katja Riedel


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